Die Tochter der Wanderhure
gleich in die Tat umsetzte.
Marie trat ein paar Schritte zurück, bis sie neben ihrer alten Freundin Hiltrud stand. »Ich hoffe, du bist mir deswegen nicht böse?«, fragte sie ein wenig besorgt und deutete auf Michi, der sehr zufrieden aussah.
Die Ziegenbäuerin wiegte nachdenklich den Kopf. »Du weißt, dass ich Anni mag. Sie ist sehr tüchtig und pflichtbewusst. Aber ich weiß nicht, ob sie meinen Sohn so lieben kann, wie ich es mir wünsche.«
Sie seufzte und zuckte dann mit den Achseln. »Verzeih, Marie, ich weiß, dass du es tust, um Michi zu helfen. Dafür danke ich dir. Aber ich bin ein wenig traurig. Er wird so weit von mir fortziehen! Nie werde ich meine Enkel sehen und in die Arme schließen können.«
Bei der Vorstellung liefen Tränen über ihre runzlig werdendenWangen. Gleichzeitig schämte sie sich, weil sie sich fürchterlich undankbar vorkam, denn alles, was sie war und was sie und ihre Kinder erreicht hatten, schuldete sie ihrer Freundin.
Marie zog Hiltrud tröstend an sich. »Anni wird Michi schon aus Pflichtgefühl lieben, aber ich glaube fest daran, dass es nicht bei der Pflicht bleiben wird. Die beiden mögen einander und werden in der Fremde wohl ebenso eng zusammenrücken, wie Michel und ich es getan haben. Außerdem glaube ich nicht, dass dein Sohn und seine Frau dich und uns vergessen werden. Sie werden kommen und dir ihren Erstgeborenen zeigen – oder ihre Erstgeborene.«
Mit einer müden Bewegung wischte Hiltrud sich die Tränen aus den Augen. »Du hast recht, wie immer! Ich freue mich auch für dich. Ein Schwager wie Eichenloh, der seinen Stammbaum auf einen König zurückführen kann, wird auch Falkos Ansehen steigern und es ihm leichter machen, Herr auf Kibitzstein zu werden.«
Marie dachte an ihren Sohn, der unbedingt noch einmal hierherkommen musste, bevor Michi und Anni Kibitzstein verließen, und sah dann die beiden Paare an, die doch recht zufrieden wirkten. Plötzlich fühlte sie, wie jemand an ihrem Rock zog. Als sie sich umdrehte, standen Uta und Lampert vor ihr. Während die Magd unternehmungslustig wirkte, schien Lampert in den Boden versinken zu wollen.
Uta zwinkerte Marie fröhlich zu. »Wenn schon so viele Paare zusammengegeben werden, denke ich, macht es nichts aus, wenn Lampert und ich ebenfalls in den Stand der Ehe eintreten.«
»Ihr wollt heiraten?« Marie maß die beiden mit einem strengen Blick. Lampert schien davonlaufen zu wollen, doch Marie winkte ihm, stehen zu bleiben. Die beiden hatten ihre Tochter auf der Reise nach Graz begleitet und sie dabei nie im Stich gelassen. Das war eine Belohnung wert. Nach ihrer Rückkehr hatte Marie einen erheblich besseren Eindruck von Uta gewonnen,und Lampert war selbstbewusster geworden. Also würden die beiden Trudi und Peter als Wirtschafterin und Aufseher der Knechte gute Dienste leisten.
»Also gut! Von mir aus dürft ihr heiraten«, sagte sie und hoffte, dass nicht noch andere Paare auf den Gedanken kamen, sie könne ihnen die Hochzeit ausrichten. Ihr Blick streifte Alika, die sich für ihre Verhältnisse ungewöhnlich munter mit Eichenlohs Unteranführer Quirin unterhielt.
Dann trat sie auf ihren zukünftigen Schwiegersohn zu. »Was wird aus Euren Söldnern? Als Burgherr werdet Ihr nicht so viele Bewaffnete benötigen.«
»Mein guter Quirin und ein paar meiner Männer bleiben bei mir. Den Rest übernimmt Otto von Henneberg, der seine eigene Söldnertruppe aufstellen und damit sein Glück machen will. Wohnen will ich auf Fuchsheim, daher werde ich den Palas ausbauen und etliches erneuern, und im ehemaligen Gemüsegarten soll eine Kapelle zu Ehren Eures Gemahls entstehen. Es tut mir leid, dass ich ihn nur so kurz kennenlernen durfte. Er war ein guter Mann!«
»Das war er!« Marie hob den Blick zur Decke hoch, sah aber nicht die wuchtigen Balken und Bretter, die sich über die Halle spannten, sondern glaubte bis in den Himmel zu schauen und Michel zu sehen, der ihr lächelnd zuwinkte.
»Ich habe es geschafft«, sagte sie in Gedanken zu ihm. »Ich habe Kibitzstein mit all seinen Besitzungen für Falko erhalten und mit Peter von Eichenloh einen Schwiegersohn gewonnen, der Trudi so lieben wird, wie sie es braucht. Auch wird sein Rang mir helfen, die beiden anderen Mädchen gut zu verheiraten. Ich hoffe, es freut dich, Michel. Es wäre jedoch viel schöner gewesen, wenn du es selbst hättest erleben dürfen. Ich vermisse dich so sehr!«
Jetzt musste auch Marie sich die Tränen aus den Augen wischen. Danach forderte
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