Die Tochter der Wanderhure
unmündiges Kind behandeln, und da die Mutter ihren Vorrang als älteste Tochter nicht unterstützte, kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen. Zudem hatte ihre Mutter Georg von Gressingen vehement abgelehnt und schlecht über ihn gesprochen, und das konnte sie ihr nicht so leicht verzeihen.
Michels Geduld mit seiner Tochter war nicht unendlich, und nun dauerte Trudis Schweigen ihm zu lange. »Ich hoffe, du schreibst dir das, was ich eben gesagt habe, hinter die Ohren. Ich mag es nicht, wenn du deiner Mutter Widerworte gibst. Marie weiß, was richtig ist und was nicht.«
Trudi nickte mit verbissener Miene, um ihren Vater nicht zu kränken. Dann wurde ihr bewusst, dass ihre Mutter sich letztens bereit erklärt hatte, Junker Georg als Brautwerber zu akzeptieren, und sie atmete befreit auf. Aber sie traute dem Frieden nicht so ganz und versuchte, ihren Vater als Verbündeten zurückzugewinnen.
»Papa, sag mal, was hat Mama eigentlich gegen Georg von Gressingen einzuwenden?«
Diese Frage hatte Michel sich auch schon gestellt, ohne sie beantworten zu können. Er nahm an, dass sie aufgrund der schlechten Erfahrungen in ihrer Jugend alle jungen Edelleute über denselben Kamm scherte. Daher konnte er Trudi nur trösten. »Wenn Marie Gressingen erst besser kennenlernt, wird sie ihn wohl auch zu schätzen wissen. Ich halte ihn für einen angenehmen jungen Mann.«
Michel hatte durchaus wahrgenommen, dass Junker Georg bei seinen Besuchen und gemeinsamen Treffen auf Nachbarburgen mit Trudi getändelt hatte, und nahm ebenso wie seine Tochter an, dass er ein ernsthaftes Interesse an ihr hatte. Gewiss hinderte nur der Streit mit dem Würzburger Bischof den jungen Manndaran, um ihre Hand anzuhalten. Gerade diese Tatsache machte ihn in Michels Augen zu einem wertvollen Verbündeten, und er hatte sich bereits vorgenommen, bei seinem nächsten Zusammentreffen mit Gressingen über dessen mögliche Zukunft zu reden.
Trudi fühlte, dass der Vater gewillt war, ihr zu helfen, lenkte ihr Pferd dichter an seines und streckte ihre Hand nach ihm aus. »Ich empfinde sehr viel für Junker Georg. Als wir letztens auf Fuchsheim waren, hat er mir versprochen, umgehend mit dir zu reden. Doch der Bischof hat ihm kurz darauf sein Heim weggenommen, und nun wagt er wohl nicht mehr, um mich anzuhalten.«
»Wenn Gressingen ein Mann von Ehre ist, wird er kommen, auch wenn ihm nicht mehr gehört als sein Schwert, die Rüstung, die er trägt, und sein Pferd. Mir wird er trotzdem willkommen sein!« Michel drückte die Hand seiner Tochter und hoffte dabei, Gressingen möge bald erscheinen, damit auf Kibitzstein wieder Ruhe einkehrte.
7.
M ichel und Trudi ahnten nicht, dass der von ihr Ersehnte sich nur einen guten Stundenritt von Kibitzstein entfernt aufhielt. Gressingen hatte Graf Otto zum Kloster Hilgertshausen begleitet und war von diesem bereits in die Schar der engeren Freunde aufgenommen worden. Nun saßen beide der Äbtissin gegenüber, und da Otto ein leichtlebiger Bursche war, dem es schwerfiel, sich in Probleme zu verbeißen, war er froh, dass sein Begleiter den größten Teil der Unterhaltung bestritt.
Klara von Monheim war mit den Jahren stämmig geworden und hatte ein Vollmondgesicht, das durch die Haube noch betont wurde. Aber sie schien nichts von der Herzlichkeit zu besitzen,die rundlichen Menschen so häufig zu eigen ist. Ihre Lippen wirkten wie Striche, und die Blicke ihrer blassen Augen musterten Graf Otto so kalt, dass ihn fröstelte. Eine angenehme Herrin würde diese Dame gewiss nicht werden, und plötzlich sehnte er sich nach dem unbeschwerten Leben in Eichenlohs Söldnertruppe zurück.
»Meine Vorgängerin war unfähig und ihrer Aufgabe nicht gewachsen«, erklärte die Äbtissin eben mit schneidender Stimme.
Gressingen stieß Otto unter dem Tisch an, damit dieser auch einmal etwas sagte, denn schließlich war er der neue Vogt und konnte es sich an den Fleischtöpfen des Klosters wohl ergehen lassen. Bei diesem Gedanken packte ihn Neid auf den Jüngeren, dem als Sprössling der gräflichen Sippe derer von Henneberg solche Ämter zuflogen, während er seinen Aufstieg mit Winkelzügen erkaufen und mit Kniefällen erbetteln musste.
»Ich erwarte, dass Ihr die Rechte des Klosters notfalls mit bewaffneter Hand verteidigt!« Klara von Monheim sah ihren neuen Vogt auffordernd an.
Graf Otto nickte eifrig. »Gewiss werde ich das tun, ehrwürdige Frau Äbtissin.«
»Vor allem dieser Adler auf Kibitzstein ist mir ein Dorn im
Weitere Kostenlose Bücher