Die Tochter der Wanderhure
wird uns Dettelbach gewiss nicht für ein Butterbrot überlassen und wohl erst andere fragen, was sie ihm für den Marktort zahlen wollen. Mit einem Albrecht Achilles von Brandenburg-Ansbach oder einem der anderen hohen Herren werden wir nicht mithalten können.«
»Solange der Würzburger Bischof diesen Ort nicht kauft, dürfte es nicht so schlimm für uns sein!«
Trudi sprach das aus, was Michel quälte. Ritter Hans war durch seine Krankheit übertrieben fromm geworden, und er konnte sich durchaus vorstellen, dass der Mann sich vor lauter Sorge um sein Seelenheil an den Fürstbischof wandte. Über die Folgen brauchte Michel nicht lange nachzudenken, und nun machte er sich Vorwürfe, weil er den Dettelbacher darauf gebracht hatte, er könne für das Geld Messen lesen lassen. Dann aber kam ihm der Gedanke, dass Herrn Gottfrieds Emissäre den Ritter genau mit diesem Vorschlag ködern würden. Daher war es besser, aufrichtig zu Ritter Hans gewesen sein, denn so blieb ihm die Hoffnung, dass dieser sich aus alter Freundschaft für ihn und sein Angebot entscheiden würde. Mit dieser Auskunft würde Marie sich wohl oder übel zufriedengeben müssen.
Er selbst trachtete bei weitem nicht so ehrgeizig wie sie danach, ihren Landbesitz zu vergrößern, und hätte sich mit Kibitzstein und den drei dazugehörigen Dörfern begnügt. Marie aber hatte von dem Gold, das sie von ihrer unfreiwilligen Reise nach Russland mitgebracht hatte, und den Einnahmen aus den Weinbergen die Herrschaft Windach von den Grafen von Castell erworben und vom Kloster Ebrach den Hof Bergreuth. Überdies gehörten ihnen noch die Burg Kessnach im Odenwald, die Lisas Mitgift werden sollte, sowie ein Viertel des Damenstifts Hilgertshausen als Pfandbesitz und ein Sechstel des kleinen Marktes Ingersdorf. Dieses Sechstel lag ihm jedoch quer im Magen. Sie hatten es von Johann von Brunn, dem früheren Bischof von Würzburg, als Pfand erhalten, und der neue Bischof wollte diesen Vertrag nicht anerkennen. Der Hilgertshausener Besitz machte Michel weniger Sorgen, denn er grenzte direkt an Kibitzsteiner Grund, und er war überzeugt, dieses Stück Land über kurz oder lang übernehmen zu können.
»Du bist so still, Papa«, sagte Trudi mit einem Mal neben ihm. Michel schreckte hoch, lächelte aber. »Ich habe an deine Mutter gedacht, die Ländereien sammelt wie andere Leute Weinfässer,und dabei unsere Dörfer und Höfe gezählt. Wenn wir Dettelbach dazubekämen, würden wir nach Würzburg, Bamberg, Ansbach, Wertheim, Henneberg und Castell zu den reichsten Geschlechtern in diesem Landstrich zählen.«
Trudi begriff, dass er nicht nach größerem Besitz strebte, sondern sich eher über diese Vorstellung lustig machte. Ihr Vater hatte nie mächtig und einflussreich werden wollen, und sie glaubte auch nicht, dass ihre Mutter sich mit diesen gräflichen und fürstlichen Familien messen wollte. Frau Marie genügte es, den Dieboldsheimer und einige kleinere Reichsritter auszustechen, die sich so hoch über den Herrn auf Kibitzstein erhaben dünkten, weil ihre Ahnen einst mit einem Kaiser Friedrich Barbarossa oder gar Kaiser Otto geritten waren. Ihre eigenen Vorfahren entstammten dem Bürgertum. Der Großvater ihrer Mutter war sogar ein leibeigener Knecht gewesen, der zu seiner Freiheit noch ein kleines Vermögen hatte erringen können. Der Vater ihres Vaters war der Wirt einer kleinen Bierschenke gewesen. Auch dem Mann hatte niemand geweissagt, dass einer seiner Söhne ein hoher Herr werden würde.
»Jetzt bist du es, die in Gedanken versunken ist«, spöttelte Michel.
Trudi blickte verträumt zu ihm auf. »Ich habe mir gerade gesagt, wie glücklich ich mich schätzen kann, dich meinen Vater nennen zu dürfen. Bona von Fuchsheim wird mit dem ihren nicht ein Zehntel so zufrieden sein wie ich.«
Obwohl Michel sich geschmeichelt fühlte, versuchte er, den Überschwang seiner Tochter zu bremsen. »Du solltest deine Mutter nicht vergessen. Eine wie sie gibt es kein zweites Mal.« Trudi zog die Schultern hoch und starrte nach vorne, denn sie musste an all die harschen Worte denken, die sie in letzter Zeit von ihrer Mutter zu hören bekommen hatte. Dabei sehnte sie sich danach, mit ihr über ihren Kummer zu reden und Zuspruch zu erhalten. Natürlich hatte ihre Mutter recht, ihr Pflichten aufzuerlegen,denn sie war schon erwachsen und würde als Frau eines Ritters für einen großen Hausstand und die Ländereien verantwortlich sein. Doch sie ließ sich nicht gern wie ein
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