Die Tochter der Wanderhure
mir in meiner Situation nicht leisten.«
Als Otto von Henneberg ihn enttäuscht anstarrte, legte er ihm den Arm um die Schulter und sprach beschwörend auf ihn ein. »Sieh es doch von deiner Warte aus. Auch wenn du zum Vogt bestimmt worden bist, würden alle sagen, Gressingen ist der Ältere, und Henneberg macht doch nur, was jener ihm rät. So aber kannst du allen zeigen, wer die Interessen der frommen Frauen von Hilgertshausen vertritt.«
Otto lächelte verlegen und fühlte sich gleichzeitig geschmeichelt. »Nicht, dass ich etwas gegen deinen Ratschlag hätte, doch entscheiden will ich immer noch selbst.«
»So habe ich es mir auch gedacht. Wie ich die Äbtissin verstanden habe, hat sie bereits Bewaffnete zum Wirtschaftshof geschickt, mit denen du die Kibitzsteiner Knechte und Mägde vom Stiftsland vertreiben kannst. Tu es und zeig ihr, dass du der Mann bist, den sie sich für ihre Vogtei gewünscht hat.«
Es fiel Gressingen weitaus leichter, als er gedacht hatte, Graf Otto zu lenken. Der junge Henneberger nahm jede seiner Bemerkungen auf und schmiedete mit der Begeisterung eines Knaben Pläne. Zwischendurch gab er lachend zu, dass er seinem Bruder Magnus zeigen wollte, dass er kein Kind mehr war, sondern selbständig zu handeln vermochte.
9.
Z war herrschte nach Michels und Trudis Rückkehr auf Kibitzstein nicht eitel Sonnenschein, aber die Schwestern sprachen wieder miteinander. Trudi bemühte sich nun stärker, den Wünschen ihrer Mutter zu entsprechen, denn sie wollte lernen, Georg von Gressingen eine gute Gemahlin und Hausfrau zu werden. Noch hatte sie nichts von ihrem Geliebten gehört, hoffte aber, ihn spätestens bei Bonas Hochzeit mit Moritz von Mertelsbach wiederzusehen.
Weder die Fuchsheimer noch die Mertelsbacher gehörten hochrangigen Sippen an, aber dennoch würde jeder, der etwas auf sich hielt, zu diesem Fest kommen. Michel hoffte sogar, der neue Fürstbischof werde die Hochzeit durch seine Anwesenheit beehren und sich so eine Möglichkeit ergeben, einige Probleme zu klären. Sollte Gottfried Schenk zu Limpurg aber nicht erscheinen oder sich einem Gespräch entziehen, so war Michel bereit, die Bekanntschaft mit einigen Lehnsmännern des Ansbacher Markgrafen Albrecht Achilles zu vertiefen. Ganz recht war ihm die Verbindung nicht, denn Albrecht, der jüngere Sohn des früheren Nürnberger Burggrafen Friedrich von Hohenzollern, war sehr ehrgeizig und stellte ebenfalls eine Bedrohung für die Selbständigkeit der kleinen Burgherren dar. Doch in der Not frisst auch der Teufel Fliegen, sagte Michel sich und bereitete sich in langen Erörterungen mit seiner Frau auf die Gespräche am Rande der Feier vor.
Marie humpelte immer noch mit dem Stock herum. Ihr Knie besserte sich jedoch zusehends durch die Umschläge, die ihr die Ziegenbäuerin machte, und einige Tage vor der Hochzeit erklärte sie, sie fühle sich wohl genug, um Michel nach Fuchsheim zu begleiten.
»Du wirst mich in einer Sänfte mitnehmen müssen«, dämpfte sie seine Hoffnung auf ihre vollständige Genesung.
Dieser nickte erleichtert. »Zur Not würde ich dich auch nach Fuchsheim tragen. Ich möchte nicht allein hinreisen, denn sonst würde ich mich unter all den Leuten sehr einsam fühlen.«
Trudi empfand bei dieser Bemerkung einen schmerzhaften Stich, denn schließlich würde sie mit ihm reiten. Doch ihr Vater tat gerade so, als zähle sie nicht.
Michel schien den Unmut seiner Tochter gespürt zu haben, denn er nahm ihre Hand und musterte sie zufrieden. »Das darfst du nicht missverstehen, mein Kind. Ich bin sehr stolz auf meine große Tochter und freue mich, dich vielen Leuten vorstellen zu können. Doch wenn es ums Verhandeln geht, weiß niemand die Worte geschickter zu setzen als deine Mutter.«
»Das weiß ich doch, Papa.« Trudi war wieder versöhnt und hörte dann zu, wie ihre Eltern die Situation auf Fuchsheim diskutierten, obwohl sie sich sonst wenig dafür interessierte.
Der Fuchsheimer würde tief in die Tasche greifen müssen, um die Hochzeit seiner Tochter ausrichten zu können, und Marie überlegte, ob sie und Michel es sich trotz der Kosten, die wegen der Bedrohung durch den Fürstbischof auf sie zukommen mochten, leisten konnten, dem Nachbarn weiteres Geld gegen Pfänder zu leihen. Es lockte Marie, Kibitzsteins Herrschaftsbereich um ein weiteres Dorf in der näheren Umgebung zu mehren, aber sie wusste selbst, dass sie in dem Fall kaum noch die Summe für den Erwerb Dettelbachs aufbringen konnten. Der Meinung
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