Die Tochter der Wanderhure
schien Michel ebenfalls zu sein, denn er hob abwehrend die Hand.
Ehe er etwas sagen konnte, klatschte Trudi lachend in die Hände.»Mir würde es gefallen, wenn Bonas Vater wegen dieser Schulden unser Vasall werden müsste und ich damit über Bona stände.«
Marie klopfte mit der flachen Hand auf den Tisch. »Lass dich nicht dazu hinreißen, unsere Überlegungen auf Fuchsheim preiszugeben! Damit würdest du Ritter Ludolf schnurstracks in die Arme unserer Feinde treiben. Wahrscheinlich wird Bonas Vater kein Geld von uns benötigen, es sei denn, Mertelsbach will Bonas Mitgift nicht in Form von Land, sondern in Gold haben, um etwas in seiner Nachbarschaft kaufen zu können.«
Trudi lachte auf. »Ach, Mertelsbach! Der ist doch ein alter Bock.«
Sofort fing sie sich die nächste Rüge ein. »Auch das darfst du nur denken, aber niemals aussprechen. Kämen Ritter Moritz deine Worte zu Ohren …«
»… würde er schnurstracks in die Arme unserer Feinde eilen. Ich weiß!« Trudi langweilten die ewigen Ermahnungen ihrer Mutter, die alles besser wusste als sie, und insgeheim spornte sie Gressingen an, sich endlich um sie zu bewerben.
Marie zuckte es in den Händen, ihrer Tochter eine Ohrfeige zu verpassen. »Gib fein acht, Mädchen! Wenn du mir zu übermütig wirst, bleibst du zu Hause.«
»Das lässt Papa nicht zu!«, antwortete Trudi herausfordernd und brachte Michel damit in eine Zwickmühle.
Gab er seiner Tochter nach, würde das zu einem heftigen Streit mit seiner Frau führen, und Marie würde möglicherweise nicht mit nach Fuchsheim reisen, obwohl er sie dort dringend brauchte. Andererseits brachte er es nicht übers Herz, Trudi zu enttäuschen.
»Wenn du deine Mutter verärgerst, wird sie dir die Teilnahme an dem Fest verbieten. Aber das tust du ja nicht!« Michel blickte sowohl Marie wie auch Trudi bittend an, ihn nicht vor die Wahl zu stellen, sich zwischen ihnen entscheiden zu müssen.
Trudi begriff, wie viel ihm daran lag, sie beide an seiner Seite zu haben, und legte ihrer Mutter die Hand auf den Unterarm.
»Es tut mir leid, Mama. Ich wollte dich ganz gewiss nicht kränken.«
»Das tust du auch nicht.« Marie küsste ihre Tochter auf die Stirn. Obwohl die Geste eher einem kleinen Kind angemessen war, fühlte Trudi, wie ihr ein Stein vom Herzen fiel. Sie freute sich auf Bonas Hochzeit und noch viel mehr darauf, Georg von Gressingen wiederzusehen.
10.
O tto von Henneberg hatte sein Quartier auf dem Wirtschaftshof des Klosters aufgeschlagen. Nun stand er am Fenster seiner Kammer und blickte nach Kibitzstein hinüber. Die Burg war in bestem Zustand und sah wehrhaft aus. Sollte er sie belagern müssen, benötigte er etliche Dutzend gut ausgebildeter Kriegsknechte, Handwerker und Wagen voller Kriegsgerät. Mit den paar Bauernburschen, die er unter Waffen stellen konnte, war an eine kriegerische Auseinandersetzung nicht zu denken. Doch die Kerle würden ausreichen, um den Kibitzsteinern den Appetit auf die Trauben auszutreiben, die reichlich auf den Rebstöcken des Stiftslands wuchsen.
Nun sah er eine Gruppe röckeschwingender Weiber, die vom Kibitzsteiner Land herüberkamen, um die Trauben zu ernten. Sie wurden von einem Knecht begleitet und führten einen zweirädrigen Karren mit, den sie mitten im Weinberg abstellten.
Während Otto die Frauen beobachtete, bedauerte er es, dass sein Freund nicht mitgekommen war, denn er hätte sein weiteres Vorgehen lieber zuerst mit Gressingen besprochen. Dann aber winkte er mit einer ärgerlichen Geste ab. Er war Manns genug, selbst zu entscheiden. Wenn es wirklich hart auf hart kam, konnte erimmer noch Eichenloh und dessen Männer bitten, ihm zu helfen. Bei dem Gedanken musste er grinsen. Sein Freund Peter saß jetzt untätig im Kloster Schöbach und wartete darauf, dass jemand seine Dienste in Anspruch nehmen wollte. Der Gute würde sich wundern, wenn plötzlich er sein neuer Befehlshaber sein würde. Noch während Otto sich diese Situation ausmalte, schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf, für den er sich selbst auf die Schulter schlug. Er würde nicht sofort hinauseilen und die Kibitzsteiner mit seinen Leuten vertreiben, sondern warten, bis sie den Wagen mit Trauben gefüllt hatten, und ihnen dann die Ernte samt dem Karren wegnehmen. Über diesen Spaß würden die Leute noch in vielen Jahren reden. Lachend rief er nach einer Magd und befahl ihr, ihm einen Krug Wein und einen Becher zu bringen.
Als die Magd zurückkehrte, folgte ihr ein vierschrötiger Knecht, den
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