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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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noch mir!«
    Uta wischte sich theatralisch über die Stirn, aber Trudi beachtete sie nicht weiter, und so musste auch die Magd rennen, bis sie Hilgertshausener Grund erreicht hatten.
    »Ich dachte, ich schaue mal, was ihr so treibt«, rief Trudi den Frauen zu, die fröhlich sangen und dabei fleißig die Hände regten. Sie sah nicht lange zu, sondern nahm einen Korb und gliederte sich in die Reihe ein. Uta tat es ihr seufzend gleich, dachte aber zunächst nicht daran, die Trauben in den Korb zu legen, sondern stopfte sie sich erst einmal in den Mund.
    »He, Uta! Unsere Arbeit sieht aber anders aus«, spottete eine der älteren Mägde.
    Ihre Freundinnen lachten, Uta aber zuckte mit den Achseln. »Einem Gaul gibt man ja auch Hafer, bevor man ihn einspannt. Bei einem Menschen ist das nicht anders.«
    »Die Jungfer sieht das anders als du. Ihr Korb ist bald voll, während bei dir noch nicht einmal der Boden bedeckt ist.«
    Trudi kicherte vergnügt. »Lasst Uta nur essen. Sie wird bald merken, dass ihre Eingeweide die vielen süßen Trauben nicht vertragen. Dann heißt es rasch in die Büsche schlüpfen, damit kein Unglück geschieht!«
    Eine der Mägde zog die Nase kraus. »Wenn Utas Gedärme sich rühren, soll sie sich gefälligst an eine Stelle verziehen, an der wir schon gelesen haben. Ich will nämlich nicht in ihre Hinterlassenschaften treten.« Da die Sprecherin ebenso wie die anderen Mägde barfuß ging, war dies nur allzu verständlich.
    Trudi antwortete mit einem Scherz, um keinen Streit aufkommen zu lassen, und Uta legte die abgeschnittenen Trauben nun schneller in ihren Korb. Da man ihr Fleiß nicht absprechen konnte, holte sie bald auf und leerte ihren Korb nur kurz hinter Trudi auf den Wagen. Jetzt machte ihr die Weinlese sogar Spaß, und sie vergaß darüber ganz, dass sie sich eigentlich für etwas Besseres hielt als die biederen Bauernmägde. Sie stimmte sogar ein Lied an, in das Trudi und die anderen fröhlich einfielen.

12.
    G eorg von Gressingen hatte sich eigentlich von dem frischgebackenen Vogt fernhalten wollen, um nicht in die Streitigkeiten verwickelt zu werden. Bald aber langweilte er sich im Gästehaus und befahl, sein Pferd zu satteln. Er war doch neugierig und wollte zumindest aus einiger Entfernung zusehen, wie Otto von Henneberg seine unausgegorenen Pläne in die Tat umsetzte. Um weder von dessen Leuten noch von den Kibitzsteinern gesehen zu werden, schlug er einen Bogen und führte sein Pferd in die Deckung einer mächtigen Eiche. Von dort aus konnte er die Mägde beobachten, die unverdrossen die Weintrauben schnitten.
    Plötzlich stutzte er und schüttelte verwundert den Kopf. Das Mädchen mit den dunkelblonden Haaren, das in einem rötlich schimmernden Kleid inmitten der anderen Frauen arbeitete, kam ihm bekannt vor. Und doch musste er geraume Zeit hinschauen, bis er begriff, dass er Trudi vor sich hatte. Statt sich zu benehmen, wie es der Tochter eines Reichsritters zukam, arbeitete sie zwischen den Mägden, als wäre sie eine von ihnen.
    Auf die Entfernung konnte er zwar ihr Gesicht nicht deutlich sehen, aber ihr Lachen drang zu ihm herüber. Es klang übermütig, und das kränkte ihn. Schließlich hatte er das Mädchen umgarnt und ihm den Kopf verdreht, bis es nur noch Augen für ihn gehabt hatte. Aber statt sich vor Kummer zu zerfressen, weil er sich nicht auf Kibitzstein sehen ließ, scherzte sie mit diesen Bauerntrampeln und sang, als wäre sie mit sich und der Welt rundherum zufrieden.
    »Na warte! Ich werde dafür sorgen, dass dir das Lachen für den Rest deines Lebens vergeht!«, stieß er hervor und hoffte, dass dieser Tölpel Henneberg genug Mut aufbrachte, seinen Ratschlägen zu folgen.
    Gressingen trieb sein Pferd wieder an und ritt mitten durch die Felder, die den Wirtschaftshof umgaben, so dass Trudi und ihre Helferinnen ihn nicht sehen konnten. Als er auf dem Hof ankam, sprang er aus dem Sattel, warf einem Knecht die Zügel zu und stürmte ins Haus. Graf Otto hockte in seiner Stube und prostete gerade einem seiner Knechte zu, der ebenso betrunken war wie sein Herr.
    Der Henneberger begrüßte seinen Freund voller Überschwang. »Da bist du ja endlich, mein lieber Georg. Hier, trink einen Schluck dieses herrlichen Weines.«
    Gressingen schlug auf den Tisch. »Führst du so die Befehle der Äbtissin aus? Was soll die ehrwürdige Mutter von dir denken?«
    »Aber nein! Selbst du, mein Freund, hast meinen Plan nicht erraten. Ich lasse die Kibitzsteiner ihre Arbeit tun, bis der

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