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Die Tochter des Fotografen

Die Tochter des Fotografen

Titel: Die Tochter des Fotografen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Edwards
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als ihre Füße in die einzigen Schuhe glitten, die sie noch tragen konnte, und sah, wie ihr geschwollenes, in blaue Nylonsocken gezwängtes Fleisch eine Wulst über dem dunkelgrauen Leder des Schuhs bildete. Als er ihren Arm ergriff, überkam ihn die seltsame Vorstellung, irgendwo an der Decke, in der Nähe des Lichtanschlusses, aufgehängt worden zu sein. Denn plötzlich glaubte er, sich und seine Frau von oben betrachten zu können, ohne daß ihm irgendein Detail entging: ihr Zittern unter einer Wehe, seine Finger, die ihren Ellbogen fest und schützend umfaßten, der stetige Schneefall draußen.
    Er half ihr in ihren grünen Wollmantel, der an ihrem Bauch auseinanderklaffte, und fand auch die Lederhandschuhe, die sie bei ihrer ersten Begegnung getragen hatte. Daß diese Details stimmten, war ihm wichtig. Einen Moment lang standen sie zusammen auf der Veranda, überwältigt vom Anblick der weißen Welt.
    »Warte hier«, sagte er und ging die Stufen hinunter, sich einen Pfad durch die Verwehungen bahnend. Die Türen des alten Autos waren eingefroren, und es kostete ihn einige Minuten, sie aufzumachen. Als eine Tür endlich aufschlug, stob eine glitzernde weiße Wolke auf, und er wühlte vor den Rücksitzen auf dem Boden herum, um den Eiskratzer und die Bürste zu finden. Dann tauchte er wieder auf und sah, wie seine Frau an der Veranda lehnte, die Stirn auf den verschränkten Armen. In diesem Augenblick wurde ihm klar, wie groß ihre Schmerzen sein mußten und daß das Baby tatsächlich kommen würde, und zwar noch in dieser Nacht. Er widerstand dem großen Verlangen, zu ihr zu gehen, und richtete seine ganze Kraft darauf, das Auto freizubekommen. Wenn die Kälte zu schmerzhaft wurde, wärmte er seine Hände abwechselnd |17| unter den Achseln, und ohne innezuhalten, fegte er den Schnee von Windschutzscheibe, Fenstern und Verdeck.
    »Du hast mir nie erzählt, daß es so weh tun würde«, klagte sie, als er die Veranda erreichte. Statt einer Antwort schlang er den Arm um ihre Schultern und half ihr die Treppe hinunter. »Ich kann laufen«, insistierte sie, »nur wenn die Schmerzen kommen, geht es nicht.«
    »Ich weiß«, murmelte er besänftigend, ohne sie loszulassen.
    Als sie das Auto erreicht hatten, berührte sie seinen Arm und machte eine Bewegung in Richtung des weiß verschleierten Hauses, das im Dunkel der Straße wie eine Laterne leuchtete.
    »Wenn wir zurückkommen, werden wir unser Baby bei uns haben«, sagte sie. »Dann wird nichts mehr so sein, wie es war.«
    Die Scheibenwischer waren festgefroren, und Schnee rieselte über das Rückfenster, als er in die Straße einbog. Er fuhr langsam und dachte dabei, wie schön Lexington war, wenn Bäume und Büsche so dick mit Schnee besetzt waren. Als er auf die Hauptstraße fuhr, trafen die Räder des Wagens auf Eis, und er kam kurz ins Schleudern, bevor er geradewegs über die Kreuzung glitt, um an einer Schneewehe zum Stehen zu kommen.
    »Nichts passiert«, verkündete er, sich hastig umschauend. Zum Glück war kein anderes Auto auf der Straße. Das Lenkrad in seinen nackten Händen war hart und kalt wie Stein. Von Zeit zu Zeit wischte er mit seinem Handrücken ein Sichtfenster in die überfrorene Windschutzscheibe und beugte sich nach vorne, um hindurchzuspähen. »Bevor wir losgefahren sind, habe ich Bentley verständigt«, unterrichtete er sie. Bentley war sein Kollege und Geburtshelfer. »Ich habe ihn vorsichtshalber ins Büro bestellt. Es ist näher, deshalb fahren wir dorthin.«
    |18| Auf das Armaturenbrett gestützt, atmete sie mit der Wehe tief ein und aus, statt etwas zu erwidern. »Solange ich das Baby nicht in diesem alten Auto bekommen muß«, preßte sie endlich hervor und versuchte dabei scherzhaft zu klingen. »Du weißt, wie sehr ich es schon immer gehaßt habe.«
    Obwohl er wußte, daß sie Angst hatte, und obwohl er ihre Angst teilte, lächelte er. Selbst in einem Notfall wie diesem kam er nicht gegen seine Natur an und handelte methodisch und entschlossen: hielt an jeder Ampel und setzte ordentlich den Blinker, wenn er irgendwo abbog, obwohl sich kein anderes Fahrzeug auf der Straße befand. Alle paar Minuten stützte sie sich wieder, tief ein- und ausatmend, gegen das Armaturenbrett, so daß er schlucken mußte, wenn er sie aus dem Augenwinkel beobachtete. Er konnte sich nicht daran erinnern, jemals so nervös gewesen zu sein wie in dieser Nacht. Selbst in seiner ersten Anatomiestunde, in der sie mit dem Leichnam eines Jungen konfrontiert

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