Die Tochter des Kardinals
vorsichtig ihre Beinkleider aus. Hilflos blickte er auf ihre geöffnete Scham. Die Schreie der Frau wurden lauter, fordernder, verzweifelter. Zwischendurch presste sie hechelnd.
Er schaute hinauf zur Madonnenfigur im Tabernakel und betete leise.
Da packte sie ihn am Ärmel. »Deine Gebete helfen jetzt nicht weiter!«, stieß sie hervor.
»Dann sag mir, was ich tun muss«, erwiderte er. »Ich habe so etwas noch nie gemacht.«
» Ich auch nicht!«, brüllte sie. »Versuch, ob du den Kopf fühlen kannst.«
Mit zitternden Händen tastete er sich in ihre Scham. »Ich kann ihn nicht fühlen. Vielleicht liegt das Kind falsch.«
»Verdammt!«, stöhnte sie und schrie sogleich wieder auf. »Nun kann allein ein Wunder helfen.«
Und das Wunder trat ein. Plötzlich öffnete sich das Kirchenportal, und eine Nonne, wohl durch die Schreie aufmerksam geworden, erschien in der Tür. Ein Windstoß blies durch das Gemäuer und ließ die Kerzen flackern.
Der Priester sprang auf und eilte ihr entgegen. »Euch schickt der Himmel!«
»Reverendo«, sagte die Nonne und starrte an ihm vorbei zu der stöhnenden Frau vor dem Altar. »Was geschieht hier?«
Er griff sie am Arm und zog sie mit sich. Die Nonne verstand sofort und kniete sich nieder. »Ist ihr Wasser bereits abgegangen?«, fragte sie.
»Ja, vor wenigen Augenblicken«, antwortete er. »Aber der Kopf … Irgendetwas ist nicht so, wie es zu sein hat.«
Mit sorgenvoller Miene befühlte die Nonne die Lage des Kindes. »In der Tat«, murmelte sie. »Ich muss es wenden, dass es mit dem Kopf voran den Schoß der Mutter verlässt.« Sie bewegte ihre Finger sachte vorwärts und führte kleine ruckartige Bewegungen aus.
Der Priester sah zu seiner Begleiterin auf. »Sie atmet kaum noch!«
Der Kopf der Nonne schnellte hoch. »Wir verlieren sie«, keuchte sie, und ihre Hände arbeiteten noch flinker.
Angstvoll ging der Priester auf und ab. Immer wieder hockte er sich neben die werdende Mutter und benetzte ihre Stirn. Ihre Brust hob und senkte sich langsam, ihr Atem ging stetig flacher.
Die Zeit verstrich. Der Priester ließ die Nonne wortlos ihre Arbeit verrichten. Rastlos streifte er durch die Kirche, kniete betend vor der Madonna, ging vor die Tür und kam wieder zurück. Seine Begleiterin, bleich und apathisch, stöhnte wie im Delirium.
Und dann: Ein Schrei! Die Nonne hielt das neugeborene Leben in beiden Händen. Sie biss die Nabelschnur durch und band beide Enden mit Streifen ab, die sie sich aus ihrem Gewand gerissen hatte. »Ein Mädchen.« Sie lächelte. Anschließend wusch sie es mit dem Wasser aus der Schale.
Der Priester hatte keine Augen für das Kind. Er hielt die Hände der Mutter. Nur schwach erwiderte sie den Druck. Plötzlich schlug sie die Augen auf. Sie löste ihre Hände aus den seinen und streckte sie der Nonne entgegen. Die reichte ihr den Säugling.
Während die junge Frau ihr Kind voller Glück an ihre Brust hielt, bemerkte der Priester das blutige Rinnsal, das unter ihrem Kleid hervor über die Stufen des Altars sickerte. Er schaute die Nonne an. Sie erwiderte seinen Blick und schüttelte unmerklich den Kopf.
Dann starb die junge Frau. Es schien, als würde sie einfach einschlafen. Sie lächelte noch einmal, schloss die Augen, und ihr Kopf fiel sanft zur Seite.
Die Nonne bekreuzigte sich und nahm das Kind vom Leib seiner toten Mutter.
Der Priester streichelte über die Stirn seiner Begleiterin, faltete die Hände und betete. Schließlich stand er auf, und sein Blick wurde kalt und starr. »Aus welchem Kloster seid Ihr?«, fragte er die Nonne, ohne sie anzusehen.
»Aus dem Kloster Santa Annunziata«, gab die Nonne zurück. »Es liegt gleich in der Nähe.«
»Gut«, sagte er. »Versprecht mir, das Kind in Euren Konvent aufzunehmen und es zu einer guten Christin zu erziehen.«
Sie riss die Augen auf. »Wo ist der Vater des Kindes? Es sollte in seine Obhut, Reverendo.«
»Es gibt keinen Vater«, sagte er. »Versprecht Ihr mir das?«
Die Nonne nickte.
»Gut«, sagte er wieder, hob seinen Mantel auf und beugte sich über die tote Frau. Ein letztes Mal strich er über ihr Gesicht. Dann wandte er sich schnell ab und strebte dem Portal entgegen.
Als er es öffnete, rief die Nonne ihm hinterher: »Welchen Namen soll ich dem Kind geben, Reverendo?«
Er drehte sich um und starrte sie ratlos an. »Wie heißt dieser Ort hier?«
»Giulianova«, rief sie zurück.
»Dann nennt sie Giulia.« Ohne ein weiteres Wort verschwand er im tosenden Orkan.
Die Nonne
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