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Die Tochter des Kardinals

Die Tochter des Kardinals

Titel: Die Tochter des Kardinals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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Callisto und zog eine Augenbraue hoch. »Seit wann ist dir mein Wohlbefinden derart wichtig?«
    »Dass es dir gut geht, ist mein alleiniges Bestreben, Callisto«, hauchte Allegra mit einem betörenden Augenaufschlag.
    An der Tür drehte sich Callisto noch einmal um. »Dein alleiniges Bestreben ist es, die Kurtisane des Papstes zu sein«, sagte er und verließ das Zimmer.
    »Die Kurtisane des Papstes«, flüsterte Allegra, nachdem die Tür zugefallen war. »Das klingt bezaubernd.«
    Vor dem mächtigen Portal des Palazzo warteten vier Träger mit einer Sänfte, an deren Seiten das Wappen von Kardinal Callisto Carafa prangte: ein silbernes Kreuz und ein Schwert gekreuzt auf rotem Grund. Darüber der purpurne Kardinalshut mit jeweils fünfzehn Quasten an den Seiten, darunter in verschnörkelten goldenen Lettern der Wappenspruch des Kardinals: Vox Temporis – Vox Dei. Die Stimme der Zeit ist die Stimme Gottes.
    Carafa stieg in die Sänfte. Kaum hatte er Platz genommen, hoben die Träger die Sänfte an. »Zum Quirinalspalast!«, rief der Kardinal und zog die Vorhänge aus rotem Samt zu. Sogleich setzten sich die Träger in Bewegung.
    Die Sommerresidenz des Papstes lag etwa eine Stunde von Carafas Palazzo entfernt, im Norden der Stadt, auf dem baumbestandenen Quirinalshügel. Dort hatten sich reiche Römer Villen bauen lassen. Es hieß, die Luft hier oben wäre besser als unten in der Stadt. Gebaut wurde noch immer. Selbst der Palast des Papstes war nach fünfundzwanzigjähriger Bauzeit bei Weitem nicht fertiggestellt. Papst Sixtus V. hielt Unsummen bereit, um die Residenz nach seinen Wünschen erweitern zu lassen. Man sprach von über einer Million Scudi, die er bereits verbaut haben sollte. Ein Ende der Bauwut war nicht abzusehen. Zurzeit wurden die Arbeiten an dem zur Piazza del Quirinale gelegenen Westflügel abgeschlossen.
    Vor den Toren des Palastes ließen Carafas Träger die Sänfte zu Boden. Wortlos stieg er aus. Den Soldaten der Schweizergarde war er bekannt, sodass er ungehindert passieren durfte. Im Innenhof ging er um den Springbrunnen herum, in dessen Mitte ein Delphin aus Marmor Wasser versprühte, und vorbei an Ölbäumen, die den gesamten Hof umrahmten. Dann betrat er den Palast. Drinnen umgab ihn angenehme Kühle. Seine Schritte auf dem weißen Carrara-Marmor hallten von den hohen Wänden wider, als er zügig an den Statuen längst verstorbener Päpste vorbeieilte.
    Vor einem großen Portal standen zwei weitere Soldaten der Schweizergarde. Als sie den Kardinal kommen sahen, öffneten sie die Türen.
    Eine dunkle Stimme, die maßlose Verärgerung ausdrückte, drängte ihm entgegen: »Wir erwarten Euch bereits.«
    Carafa atmete tief durch und trat ein.
    Erst Stunden später, es war inzwischen später Nachmittag, öffneten sich die Tore wieder. Das Konsistorium war beendet. Vierzig Kardinäle strömten teils schweigend, teils leise miteinander redend aus dem Saal. Gemeinsam mit den Kardinälen Primo Pozzi und Giambattista Castagna verließ Carafa das Konsistorium als einer der Letzten. Schweigend gingen sie durch den Palast, bis Carafa die Kardinäle in eine Nische in einem menschenleeren Nebenflügel führte. Vor einer Büste Papst Alexanders VI. blieben sie stehen.
    Pozzi, ein kleiner, feister Mann mit buschigen Augenbrauen und spärlichem Haarkranz, sah Carafa erwartungsvoll an.
    »Das Maß ist voll«, sagte dieser.
    Castagna, einige Jahre älter und größer als Pozzi und Carafa und von kräftigem Körperbau, richtete seine wachen dunklen Augen auf Carafa. »So ist es schon seit Langem, wie wir wissen«, sagte er.
    »Schreiten wir nicht umgehend ein, treibt das Gespenst der Reformation uns alle aus Rom hinaus«, fuhr Carafa fort.
    Castagna hob beschwichtigend die Hände. »Sein beharrlicher Kampf gegen die Hugenotten hat längst ein deutliches Zeichen der einzig wahren Kirche gegen die ketzerischen Lutherböcke gesetzt.«
    »Aber durch sein Geplänkel mit König Philipp wird die heilige Mauer wieder brüchig«, erwiderte Carafa.
    »Carafa hat recht«, warf Pozzi ein. »Solange das Reich mit der Pest des Protestantismus befallen und Frankreich mit den Hugenotten beschäftigt ist, bleibt Spanien der wichtigste Verbündete in unserem geheiligten Kampf. Die ständigen Auseinandersetzungen mit Philipp richten nur Schaden an.«
    »Zudem«, ergänzte Carafa, »lässt er den Jesuiten, den Einzigen, die das reformatorische Gespenst aus den Köpfen der Menschen mit Gottes Wort und nicht mit dem Schwert zu

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