Die Tochter des Magiers 03 - Die Erwählte
das ablehnen? Eine Hand wäscht die andere, wie man so sagt. Selbst wenn es die Hand eines Daimons ist. Er hat sein Wort gehalten, Kröte. Er hat die Erwachte zur Brücke geschickt, und er wollte mir das Fenngold verschaffen. Zwei Schätze für ein paar Tropfen Blut. Du wirst zugeben, dass das ein gutes Geschäft gewesen wäre. Aber jetzt lass uns sehen, wie wir
hier fortkommen. Ich glaube, es wird bald Tag. Es wäre gut für uns, vorher in der Stadt zu sein.«
Maru schüttelte den Kopf. In dieser Nacht waren weit mehr als nur ein paar Tropfen Blut geflossen. »Nein, Tasil, ich werde dich nicht begleiten.«
»Das war keine Frage, Kröte.«
»Ich habe einen Namen, Tasil aus Urath. Maru hast du mich genannt, aber Nehis heiße ich von Geburt an.«
Tasil blickte sie an. Dann grinste er plötzlich breit. »Ich glaube wirklich, dein Verstand hat im Feuer ernsthaften Schaden erlitten. Hast du vergessen, dass ich dich gekauft habe? Ich habe einen Dolch für dich hergegeben, der leicht das Zehnfache wert war. Du bist meine Sklavin, und du trägst den Namen, der mir gefällt. Und jetzt setz dich in Bewegung, Kröte !«
Maru rührte sich nicht. Sie betrachtete ihn. Ein hagerer Mann in verbrannten Kleidern, dem das Haar vom Kopf gesengt worden war. Dann fragte sie: »Sag, Tasil, hast du noch das Sklavenzeichen? Das Band, das du mir vom Hals geschnitten hast, damals am Ufer des Dhanis?«
Tasil zögerte einen Augenblick. Er betrachtete sie auf einmal mit einem anderen, lauernden Blick. »Natürlich habe ich das noch, Kröte. Ich trage es immer bei mir, für den Fall, dass du eines Tages vergessen solltest, was du bist. Und mir scheint fast, dieser Tag ist heute gekommen.«
Maru schüttelte den Kopf. »Ich weiß, wer ich bin. Gib mir dieses Band.«
Tasil lachte. Maru streckte ihre Hand aus. Und dann sagte sie es noch einmal, langsam und mit Nachdruck in der Stimme: »Tasil, gib mir dieses Band!«
Sie spürte selbst, wie viel Kraft in ihren Worten lag. Sie waren wie eine Hand, die sie Tasil entgegenstreckte. Er konnte das Band hineinlegen und gehen. Würde er das nicht tun, könnte
diese Hand sich schließen und ihn mit eisernem Griff zerquetschen.
Tasil öffnete den Mund, aber er brachte kein Wort heraus. Er starrte sie ungläubig an. Dann griff er mit fahriger Bewegung nach seinem Dolch, zog ihn, hielt ihn in unsicheren Fingern – und ließ ihn plötzlich fallen. Er wich zwei Schritte zurück, stöhnte, sein Gesicht verzerrte sich, aber dann wühlte er hastig in seinem verbrannten Garwan und zog das Lederhalsband heraus.
»Lass es fallen«, sagte Maru, beinahe sanft.
Er schleuderte es zu Boden.
»Bin ich also frei?«, fragte Maru.
Tasil schwieg, aber sie hörte ihn keuchen. Er kämpfte. »Ist das der Dank?«, stieß er schließlich hervor.
Maru hätte beinahe gelacht. »Gibst du mich frei, Tasil aus Urath?«, fragte sie noch einmal.
Tasil wehrte sich, sein Gesicht zu einer Maske aus Schmerz und Wut verzerrt, aber dann nickte er.
»Und jetzt geh. Ich will dich nie wieder sehen«, sagte sie ruhig.
»Maru, ich … wir …«
»Geh!«
Tasil öffnete noch einmal seinen Mund, brachte nichts heraus, drehte sich um und stolperte davon. Maru sah ihm nach. Sie dachte an das erste Mal, als sie ihm begegnet war. Er hatte sie dem Händler abgekauft, weil er sie im Dunkeln für einen Jungen gehalten hatte. Sie sah ihn hinab zum Dhanis laufen. Dank? Er hatte sie gerettet. Heute im Fluss, und schon einmal im Verborgenen Tempel. Mit unsicheren Schritten stakste er ins Wasser und drehte sich noch einmal um. Aber er hatte sie auch im Stich gelassen, damals im Grabmal des Raiks von Serkesch, er hatte sie den Awiern im Fenn als Menschenopfer angeboten, und heute hatte er sie nur aus dem Wasser gezogen, weil er sie an Utukku verraten wollte. Sie sah ihn ins Wasser stolpern. Er watete hinaus und begann zu schwimmen.
Die Strömung trug ihn schnell flussabwärts. Sie verlor ihn in den tanzenden Wellen aus den Augen. Sie wartete noch eine Weile, aber sie sah nicht, dass er an Land kroch. Ihre Beine waren wachsweich, ihre Hände zitterten. Sie sank auf die Knie. Sie konnte nicht verhindern, dass sie im Inneren plötzlich eine große Leere fühlte. Und wieder standen ihr Tränen in den Augen. Irgendwo sang ein Nachtvogel. Sie war allein. Alles um sie herum war verbrannt. Da war nur noch Biredhs Stock. Falter umschwärmten ihn. Maru war sich nicht sicher, aber es schien, als seien sie gelb.
Einige Tage später
Es roch nach gebratenem
Weitere Kostenlose Bücher