Die Tochter des Münzmeisters
wies Randolf ihn scharf zurecht.
Dem Mann klappte der offene Mund zu, und er schwieg, lediglich der hasserfüllte Blick verriet seine Gefühle.
»Also, wie klingt deine Geschichte?«
Nach kurzem Räuspern antwortete der junge Bauer: »Es ist richtig, dass ich nicht die erforderliche Menge an Eiern abgegeben habe. Meine Frau ist krank, und wir haben sonst nicht mehr viel. Wenn sie uns jetzt noch die Hühner wegnehmen, können sie auch in Zukunft keine Eier mehr bekommen, Herr.«
Folkmar ergriff das Wort, während er vom Pferd abstieg und sich neben seinen Freund stellte. »Klingt irgendwie vernünftig – ohne Hühner keine Eier. Ich denke, ihr zwei solltet euch tummeln, bevor wir es uns anders überlegen!«
Der Soldat reagierte überhaupt nicht auf Folkmar, sondern sprach direkt Randolf an. »Aber Herr, die Abgaben sind von allen gleich zu entrichten. Das ist Gesetz, da kann sich doch keiner davonstehlen.«
Randolfs ernster Blick ruhte so lange auf den beiden Burgmannen, bis sie schließlich unruhig zu Boden sahen. »Ich denke nicht, dass dieser Mann sich davonstehlen wird. Er hat hier sein Zuhause und muss für seine Familie sorgen. Wenn ihr ihm alles nehmt, kann er bald überhaupt keine Abgaben mehr leisten. Und nun verschwindet, aber schnell!«
Obwohl er seine wohlüberlegten Worte ruhig hervorbrachte, verfehlten sie ihre Wirkung nicht. Beide Soldaten warteten keine zweite Aufforderung ab, sondern schwangen sich auf ihre Pferde und ritten davon.
»Wie ist dein Name?«
Sollte der Bauer Angst verspüren, so zeigte er es nicht, denn in seiner Stimme lag kein Zittern. »Man nennt mich Guntram, Herr, und habt Dank für Eure Hilfe«, erwiderte er mit einer leichten Verbeugung.
Randolf saß bereits wieder auf dem Pferderücken, nun beugte er sich nochmals zu dem Bauer hinab und reichte ihm eine Münze.
»Kauf dir davon ein paar Hühner, falls sie dir deine anderen doch noch wegnehmen.«
Dann folgte er Folkmar, der bereits langsam vorweggeritten war, und ließ den verdutzten Hünen stehen. Der Ritter stand seit seinem zwölften Lebensjahr in den Diensten des Königs und war nicht nur durch gemeinsame Erlebnisse, sondern vor allem durch den geleisteten Treueid an seinen Lehnsherrn gebunden. König Heinrich, der ein paar Jahre jünger war als Randolf, bemerkte des Öfteren im scherzhaften Ton, dass ihn nicht nur dessen ruhige und besonnene Art, sondern vor allem auch sein Talent im Umgang mit dem Schwert schon oft aus brenzligen Situationen gerettet hatte. Nur ein einziges Mal hatte Randolf dem König gegenüber seinen lange verstorbenen Lehrmeister Gottwald von Gosenfels erwähnt, dem er seiner Meinung nach so manches zu verdanken hatte.
Die beiden Männer durchquerten die Siedlung am Fuße des Burgberges, in der sich eine Kirche, Wohngebäude und Pferdeställe befanden und von wo aus die Besatzung der Hartesburg versorgt wurde. Langsam begannen sie, von nördlicher Seite her, mit dem Aufstieg zu der großen Festung. Da es nur einen Weg hinauf gab, galt die wehrhafte Anlage als uneinnehmbar. Der Pfad, gerade breit genug für ein Fuhrwerk, war zu beiden Seiten anfangs noch dicht bewaldet und fiel zur linken, der Tal zugewandten Seite steil bergab. Nachdem sie eine Weile schweigend nebeneinander hergeritten waren, passierten sie die Vorburg, die sich ein wenig unterhalb der Burganlage befand. Der Vorposten zur großen Burg bestand aus mehreren Holzbefestigungen und diente auch dem Schutz der Bewohner im Tal.
Zum ersten Mal hielt eine Wache sie auf. Laute Stimmen und das markerschütternde Quieken von Schweinen in Todesangst drangen von den Gebäuden herüber, die rechts von ihnen lagen. Doch der Blick wurde von einer steinernen Mauer und mehreren Bäumen versperrt. Nachdem Randolf dem Mann seinen Namen genannt hatte, konnten sie passieren.
»Wie lange kennst du eigentlich unseren König? Das wollte ich dich schon immer fragen«, begann Folkmar in die stetig nachlassenden Geräusche hinein.
»Erzbischof Adalbert hat dafür gesorgt, dass ich vor sechzehn Jahren zu ihm kam«, antwortete Randolf, ohne sich um den bitteren Unterton zu kümmern.
Folkmar bemerkte davon jedoch nichts, denn seine nächste Frage kam mit Begeisterung. »Dann warst du ja in Kaiserswerth dabei! Erzähl doch mal, wie hast du das alles erlebt? Das muss mächtig aufregend gewesen sein!«
Randolf seufzte, denn er empfand die Unbedarftheit seines jungen Begleiters gelegentlich als äußerst anstrengend, zumal sie in heftigem Gegensatz zu
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