Die Tochter des Münzmeisters
seinem eigenen Wesen stand. Mit einem Mal fiel ihm ein, dass er damals bei dem Ereignis in Kaiserswerth genauso alt gewesen war wie Folkmar jetzt. Jegliche kindliche Naivität hatte er allerdings bereits Jahre zuvor verloren.
»Aufregend war es im Nachhinein vielleicht, aber zu dem Zeitpunkt von Heinrichs Entführung beherrschte uns die nackte Angst. Nachdem sie den König auf das prächtige Schiff des Erzbischofs Anno von Köln gebracht hatten, von dem aus sie den Staatsstreich in die Wege leiteten, versuchte er noch, sich mit einem Sprung in den Rhein zu retten. Zwei Tage später geleitete man mich zu ihm«, antwortete Randolf schließlich zögernd. Die damaligen Ereignisse hatten bei Heinrich tiefe Spuren hinterlassen, dessen Entscheidungen seitdem von ausgeprägtem Misstrauen gegenüber dem Adel und dem Klerus geprägt waren.
»Unser König war zu der Zeit bereits unglaublich mutig! Man stelle sich nur vor, einfach in den Rhein zuspringen!«, entgegnete Folkmar erregt, nachdem er ehrfürchtig der Erzählung seines älteren Freundes gelauscht hatte. Falls er jedoch davon ausgegangen war, dass dieser in das Lob einstimmte, so wurde er eines Besseren belehrt.
»Mutig? Das war höchstens unglaublich töricht, denn er konnte nicht schwimmen! Man muss ihm natürlich zugutehalten, dass er in seiner Angst wohl keinen anderen Ausweg gesehen hat, schließlich war Heinrich damals erst zwölf. Einzig Ekbert von Braunschweig ist es zu verdanken, dass wir unserem König gleich gegenübertreten werden.«
Folkmar blieb davon unbeeindruckt. »Das war ja wohl die Pflicht des Grafen! Immerhin ging es um das Leben des Königs, und an dessen Entführung war er beteiligt, oder? Nun ja, soweit ich weiß, ist Markgraf Ekbert seit einigen Jahren tot. Übrigens, vom Tod des Erzbischofs Adalbert habe ich erst vor kurzem erfahren, du hattest ja eine enge Bindung zu ihm.«
Randolfs Gesichtszüge verhärteten sich, und nur mühsam beherrscht erwiderte er knapp: »Eng ist wahrlich zu viel gesagt!«
Erzbischof Adalbert, der dafür verantwortlich gewesen war, dass Randolf nach dem Tod seines Lehrmeisters Gottwald von Gosenfels als eine Art Gefährte zu dem oft einsamen König gebracht wurde, hatte sich in den Jahren davor um die Ausbildung des Jungen gekümmert. Aufgrund einer zufälligen Entdeckung, die Randolf einen herben Schlag versetzt hatte, brach der enttäuschte Ritter ab diesem Moment jeglichen Kontakt zu dem hohen kirchlichen Würdenträger ab. Außer seiner Frau Betlindis und seinem Sohn Herwin besaß Randolf keine weiteren Familienangehörigen, denn seit seinem sechsten Lebensjahr war er Vollwaise.
Vor ihnen lag die wuchtige Hartesburg in ihrer gesamten Größe. Geschützt von einer hohen Steinmauer, die bis an den Steilrand des Bergkegels heranreichte, führte nur ein einziger Eingang in die mächtige Burganlage hinein. Alles war so konzipiert, dass jeder, der die ersten beiden Tore passierte, den Waffenarm dicht an der Mauer entlang führen musste, während die Burgbesatzung im Falle eines Angriffs die Schwerter ungehindert führen konnte. Während der dreijährigen Bauzeit hatte Randolf, zumeist als Begleiter des jungen Königs, den Fortschritt der Bauarbeiten mitverfolgt. Der Baumeister war ihm aus seiner kurzen Zeit in Goslar noch bekannt, denn dort hatte er das Amt des Vicedominus und Dompropsts inne und war zudem maßgeblich am Bau der Goslarer Stiftskirche beteiligt gewesen. Seit Fertigstellung der letzten Baumaßnahme hielt sich Benno im Bistum Osnabrück auf, dem er als Bischof vorsaß.
Nachdem die beiden Männer passieren konnten, übergaben sie einem herbeigeeilten Stallknecht die Pferde und gingen über den Innenhof auf den großen Palas Heinrichs zu, der sich im östlichen Teil der Anlage befand. Die hölzerne Stiftskirche, in der zahlreiche Reliquien lagerten, ließen sie zu ihrer Rechten liegen. Auf dem Burghof herrschte auch zu dieser vorgerückten Stunde noch reges Treiben, zumal zeitweise bis zu dreihundert Mann Besatzung auf der Burg untergebracht waren. Unter vielen anderen war dies einer der Gründe, warum der Unmut der sächsischen Fürsten beständig stieg und die Bevölkerung unter vorgehaltener Hand nur noch bitter über ihren König sprach, denn bei der Besatzung handelte es sich um landesfremde Männer, zum größten Teil schwäbische Ministerialen. Nicht nur äußerlich unterschieden sie sich von der sächsischen Bevölkerung, denn die meisten waren von kleinerer Staturund dunkelhaarig, auch an
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