Die Tochter des Münzmeisters
dann gewährt mir bitte ein paar Minuten, Herr Randolf.«
Als sie ihren Wunsch an ihn gerichtet hatte, glomm wieder das Leuchten in Randolfs Augen auf, und er neigte leicht den Kopf. »Sollte Euer Vater nichts dagegen haben, würde ich Euch gerne zu einem kleinen Spaziergang entführen.«
Beide sahen den Münzmeister fragend an, der sich augenscheinlich äußerst unwohl fühlte und zu bedenken gab, dass Henrika offiziell jemand anderem versprochen war.
»In dieser Angelegenheit kann ich Euch beruhigen«, entgegnete Randolf. »Ich wollte Euch ohnehin noch die Entscheidung des Königs mitteilen, dass das Eheversprechen mit Graf Kuno hinfällig ist. Angesichts der Rolle, die der Vater Eures zukünftigen Gemahls bei dem Aufstand eingenommen hat, war Heinrich wohl nicht mehr von seiner Entscheidung überzeugt.« Randolf hatte nicht vor, Henrika irgendetwas von dem unschönen Gesprächzu erzählen, das er mit dem König geführt hatte. Heinrich war über die Entwendung des kaiserlichen Briefes äußerst empört gewesen und hatte den Ritter mit den schlimmsten Vorwürfen überschüttet. Da er sich aber zu dem Zeitpunkt nicht in der Lage befand, auch noch seinen besten Freund für etwas zu verurteilen, was er selbst durchaus verstehen konnte, sah er von einer Bestrafung ab. Wobei es wohl auch eine Rolle spielte, dass Heinrich befürchtete, Randolfs Loyalität zu verlieren.
Zum großen Erstaunen des Ritters teilte der Monarch ihm nämlich am selben Abend mit, dass er dem Northeimer eine Botschaft hatte zukommen lassen, in der er das Eheversprechen Henrikas mit dessen Sohn Kuno zurückzog. Außerdem stellte der König seinem Getreuen frei, sich um die Zeugenaussage des Mannes zu kümmern, der die Unschuld Gottwalds mit größter Wahrscheinlichkeit bestätigen konnte. Der lauernde Ausdruck auf Heinrichs Gesicht täuschte nicht über dessen eigentliche Absichten hinweg.
Denn nun war Randolf klar, dass damit die Würfel für ihn gefallen waren. Hatte er bisher gezögert, ob er sich letztendlich nicht doch zu seinen sächsischen Wurzeln bekennen sollte, so hatte ihm der König mit seinem Entgegenkommen die Entscheidung abgenommen.
Der Münzmeister räusperte sich und holte Randolf damit aus seinen Gedanken zurück.
»Unter den Umständen habe ich gegen einen kleinen Spaziergang auf dem Pfalzgelände nichts einzuwenden. Ich werde ebenfalls den ungewohnt lauen herbstlichen Abend nutzen und die Zeit auf der Bank vor unserem Haus genießen«, erwiderte Clemens, ohne seine Überraschung über die Annullierung des Eheversprechens zu zeigen.
Mit gebührendem Abstand schlenderten Randolf und Henrika kurz darauf über das abendliche Pfalzgelände, das von den Fackeln, die vor der königlichen Pfalz brannten, in ein flackerndes Licht getaucht wurde. Schmunzelnd dachte die junge Frau an ihren Vater, der sie mit wachsamen Augen von seiner Bank aus beobachtete.
Randolf brach als Erster das Schweigen, das Henrika keineswegs als unangenehm empfunden hatte.
»Und wieder kann ich Euch eine Eigenschaft nennen, die mir bereits an Eurer Mutter sehr gefallen hat. Auch sie hat gerne die Initiative übernommen, was man durchaus als ungewöhnlich betrachten kann.«
Henrikas Schmunzeln veränderte sich zu einem glücklichen Lächeln, und sie dankte ihm erfreut.
»Allerdings seid Ihr mir nur zuvorgekommen, denn auch ich wollte unbedingt mit Euch alleine sprechen. Aber bevor ich dazu komme, wollte ich Euch noch fragen, ob der Tod des Vogts bereits bis zu Euch nach Goslar durchgedrungen ist?«
Henrikas Herz krampfte sich zusammen, als sie so völlig unvorbereitet wieder an den unangenehmen Gesellen erinnert wurde. Würde Randolf ihr jetzt erzählen, dass man den Mann im Gemach des Königs über einer Truhe liegend tot aufgefunden hatte?
Randolf schien ihre Ängste zu bemerken, daher erzählte er ihr in dem gleichen arglosen Ton, dass man den leblosen Körper Erchangers von Hadersgraben zerschmettert am Fuße der Hartesburg entdeckt hatte.
Ein großer Stein fiel Henrika vom Herzen, denn nun konnte sie endlich davon ausgehen, dass sie an seinem Tod keine Schuld trug. Doch dann schoss ihr unvermittelt ein Gedanke durch den Kopf. Womöglich hatte der Vogt nach Randolfs Befreiung aus lauter Angst vor der Strafe des Königs seinem unglückseligen Leben selbstein Ende gesetzt, und Guntram war gar nicht mehr dazu gekommen, seine Rache auszuführen.
Randolf zerstörte diesen schönen Gedanken jäh, als er weiterredete. »Selbstmord ist
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