Die Tochter des stählernen Drachen
mit der braunen Seife einseifte, und einmal rieb er ihr mit seinem Speichel einen Schmutzfleck hinter dem Ohr weg.
Durch einen kalten Nieselregen gingen sie zu einem kleinen Büro in der Nähe des Haupttors. Blugg klopfte an, und sie traten ein.
Im Innern saß eine elegante schlanke Elfenfrau, die eine Zigarette rauchte und aus dem Fenster blickte. Bei ihrem Eintritt wandte sie den Kopf. Das Gesicht war gepudert und hatte hohe Wangenknochen. Ohne besondere Betonung fragte sie: »Ist sie das?«
»Sie ist es«, bestätigte Blugg.
Die Elfenfrau stand auf. Sie war gut anderthalb Kopf größer als Blugg. Mit energisch klickenden Absätzen schritt sie zu Jane und faßte sie zwischen Daumen und Zeigefinger unterm Kinn. Sie drehte Janes Kopf in die Richtung, dann in jene, und runzelte dabei kritisch die Stirn.
»Sie ist ein gehorsames Ding«, sagte Blugg einschmeichelnd. »Tut genau, was man ihr sagt. Sie brauchen nur mit den Fingern zu schnippen! Und man muß ihr nichts zweimal sagen.«
Jane sah hinauf in die Augen der Elfenfrau. Sie waren kalt, wie graue Eisklumpen, und die Haut darum wies eine Verästelung von Falten auf, was auf Jahre und Jahrzehnte hindeutete, die von der anderen Seite des Raums nicht sichtbar gewesen waren. Jane hatte jäh die Vision, daß die Haut nichts weiter als eine dünne Maske war, über den Schädel der Frau gespannt.
Eine unbestimmte Art von Anerkennung funkelte in diesen glanzlosen Augen. »Fürchtest du dich vor mir?«
Jane schüttelte furchtsam den Kopf.
»Das solltest du aber.« Der Atem der Elfenfrau roch nach kandierten Früchten und Nikotin. Zwei lange Perlen baumelten ihr an den Ohren herab, halb so lang wie ihr Zeigefinger. Sie waren zu einer stumpfköpfigen Schlangengestalt geschnitzt. Die Fingerspitzen drückten Janes Kinn fester, bis ihr unwillkürlich die Tränen in die Augen traten.
Schließlich ließen diese Finger Jane los. »Ich werde darüber nachdenken«, sagte die Elfenfrau. Sie winkte mit einer Hand zur Tür. »Ihr könnt gehen.«
Draußen war Blugg in einer unerklärlich ausgelassenen Stimmung. »Weißt du, wer das war?« jubelte er geradezu. Ohne eine Antwort abzuwarten, sagte er: »Das war eine Greenleaf. Eine Greenleaf!«
Jane vergaß die Begegnung fast augenblicklich. Sie war lediglich ein merkwürdiger Vorfall von vielen.
Es dauerte nicht lang, bis Rooster wieder an der Arbeit war. Die Dämonen in der Tischlerei bauten eine kleine Karre für ihn, die er benutzen sollte, bis er wieder stark genug zum Gehen wäre. Jane und Stilt führten die tägliche Prozession zur und von der Arbeit an, wobei sie die Karre am Handgriff hinter sich herzogen.
Eines Abends, als sie zum Schlafsaal zurückgebracht wurden, hielt man sie am Haupttor auf. Es war Schichtwechsel. Sie warteten im Schatten der ungeheuerlichen schwarzen ZeitUhr, während ein Strom von Arbeitern vorüberwatschelte, -hinkte und -hüpfte. Die Arbeitsschicht wurde hinausgelassen, und alle nicht in der Fabrik wohnenden Arbeiter stellten sich in einer Schlange vor der ZeitUhr auf. Sie schoben ihre Karten hinein, küßten den Stein der Göttin und schleppten sich davon.
Stilt starrte sehnsüchtig durch das Tor. Zu sehen waren dahinter lediglich der Parkplatz und die staubige Kurve einer Asphaltstraße, aber er starrte hin, als böte es ihm einen Blick auf die Westlichen Inseln. Blugg trat hinter ihn und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
Stilt blickte auf.
Bluggs breiter Mund verzerrte sich zu etwas, das fast ein Lächeln war. Er rupfte eine winzige Feder aus Stilts Halsansatz und hielt sie mit zusammengekniffenen Augen hoch. »Hmmmhmmm.« Er steckte sich die Feder in den Mund und ließ sie langsam, genießerisch auf der Zunge zergehen. »Ist an der Zeit, dich ins Krankenhaus zu schicken, nich’ wahr?« polterte er. »Jane! Erinnere mich dran, daß ich den hier morgen zum Arzt schicke, um ...«
Es war überhaupt nicht sicher, daß Stilt verstand, was da gesagt wurde. Aber etwas in ihm zerbrach. Mit einem hohen verzweifelten Schrei ließ Stilt den Karrengriff fallen und lief los.
Blugg fluchte und rannte dann schwerfällig hinter dem Jungen her. Aber fett, wie er war, konnte er es mit der kleinen geschmeidigen Gestalt nicht aufnehmen. Arbeiter, denen der Unterkiefer herabfiel, drehten sich um, als Stilt vorüberflitzte. Ihre Bewegungen waren im Gegensatz zu ihm langsam, wie bei Fliegen, die vom Planzensaft gefangen waren, der sich bereits zu Bernstein verhärtete. Jane umklammerte in quälendem
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