Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
Vom Netzwerk:
Geruch.
    Janes Schuldgefühl war überwältigend. Sie hätte ihn pflegen sollen, ihm den Schweiß abwischen, die Verbände wechseln, tun sollen, was sie könnte, um seine Schmerzen zu lindern. Aber er stieß sie ab, noch mehr als die fremden Dämonen, die als Holzschnitzer und Tischler in Sektion A arbeiteten. Sie konnte sich nicht dazu überwinden, ihm nahezukommen.

    Eines Abends trampelten die Kinder in den Schlafsaal und entdeckten, daß Rooster wach war und sie erwartete. Er hatte sich erschöpft gegen den Kopfteil des Betts gestützt. Bei ihrem Anblick verzerrte er den Mund zu etwas, das er offenbar für ein Grinsen hielt. »So früh zurück? Nun, zu meiner Zeit haben wir einen vollen Tag lang arbeiten müssen. Diese jungen Leute heutzutage, ich weiß nicht.«
    Die Kinder scharten sich furchtsam an der Tür zusammen.
    »Nun kommt schon! Ihr braucht doch nicht dahinten stehenzubleiben. Ich bin’s!«
    Unbehaglich drückten sie sich näher.
    »Schön. Also, wie steht’s? Ist Blugg tot?«
    Niemand gab Antwort.
    Jetzt wirkte Rooster besorgt. »Hat die Puppe nicht funktioniert?«
    Dimity räusperte sich. »Wir haben’s noch nicht ausprobiert«, gab sie zu.
    »Ihr Schlappschwänze.« Roosters Gesicht hatte die schwach lumineszierende Beschaffenheit des Fleischs einiger Feenpilze in den tiefen Wäldern. Die Verbände waren verkrustet, denn sie waren seit Tagen nicht gewechselt worden. Seine Lider sanken herab, schlossen sich fast und öffneten sich dann wieder. »Warum nicht?«
    »Dimity hat gesagt ...«, fing Stilt an.
    »... daß wir auf dich warten sollten«, beendete Jane hastig. Dimity bedachte sie mit einem Blick, der ebenso deutlich wie Worte besagte: ›Glaub ja nicht, daß dir das irgendwelche Vergünstigungen verschafft.‹ Sie zuckte zweimal mit dem Schwanz. »Damit wir es auch ganz bestimmt richtig machen.«
    »Dann ist es in Ordnung.« Rooster war kein hintergründiges Wesen und hatte von dem wortlosen Gedankenaustausch nichts mitbekommen. »Das ist nicht halb so schlimm, wie ich erwartet hätte.« Er nickte Stilt zu. »Hast du das gehört? Wir kümmern uns um deine Interessen, alter Kumpel.«
    Stilt hob und senkte eifrig und grotesk glücklich den Kopf. Er zweifelte nicht im geringsten an der Fähigkeit seines Freundes, ihn zu beschützen. Angesichts eines solchen Zutrauens blieb Jane nichts anderes übrig, als sich selbst gegenüber einzugestehen, daß sie nicht mehr an Roosters Plan glaubte. Sie waren bloß Kinder. Ihre simple Magie würde einem Erwachsenen wie Blugg nichts anhaben können. Die Geschäftsleitung mußte Aufseher gegen solche Angriffe schützen, das war Teil ihres Pakets an Vergünstigungen; ansonsten hätten alle Tage Aufseher tot umfallen können. Sehr wahrscheinlich würde er nicht einmal bemerken, daß er angegriffen worden war. Ihr war kalt, und sie fühlte sich steif.
    »Hol die Kerze, wir werden’s jetzt machen!« befahl Rooster. Dann, als Dimity nicht sofort reagierte: »Geh schon, du Kuh! Setz deinen Arsch in Bewegung!«
    Grollend gehorchte die junge Hulder. Nachdem sie die Kerze zwischen den Dielenbrettern verkeilt hatte, hielt sie ganz kurz inne, damit es so aussah, als erwartete sie von Rooster, die Kerze mit einem Zauberspruch anzuzünden - wodurch sie seine Schwäche betonte -, und dann strich sie ein Luzifer-Streichholz an.
    Schwefel spuckte und flammte auf.
    »Wo ist die Puppe?« fragte Rooster.
    Mit schamrotem Gesicht holte Skizzlecraw sie hervor. Rooster ließ einen Daumen über den Magen laufen, um die scharfen Spitzen der Hornsplitter zu spüren, wie sie hindurchstachen, und reichte sie dann an Stilt weiter. »Du tust es«, sagte er.
    Automatisch warf Stilt Dimity einen Blick zu, um ihr Einverständnis zu erhalten.
    Dimity preßte die Lippen zusammen und nickte.
    »Psst!« befahl Rooster.
    Sie waren still. Von draußen hörte man verschiedene einander überlagernde Maschinengeräusche, freundliches Poltern, Ächzen und Hämmern. Direkt unter ihnen vernahmen sie das regelmäßige, fast unhörbare Quiek-Quiek-Quiek eines Schaukelstuhls. Blugg pfiff die Elfenkönig-Melodie und paßte Geschwindigkeit und Rhythmus dem Rascherwerden oder Verlangsamen des Schaukelstuhls an.
    »Jetzt!« flüsterte Rooster.
    Stilt schob die Puppe in die Flamme.
    Sie war aus alten Nylonsachen zusammengenäht, und das Tuch warf Blasen und wurde schwarz, als das Feuer es berührte. Ein entsetzlicher Gestank lag in der Luft. Dann ging die Baumwollfüllung mit einem kleinen Brüllen hoch, und

Weitere Kostenlose Bücher