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Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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Janie, nettes kleines Janielein«, freute sich Dimity diebisch, schlüpfte mit der Hand tief in den Beutel und warf eine große gelatineartige Masse in Thistles gierige hohle Hände. Sie steckte sich ein Ei in den Mund und schloß verzückt die Augen, als es aufplatzte. Sie schaufelte weitere Eier hinein.
    Die Zahnräder waren über den ganzen Fußboden verstreut. Erschöpft richtete Jane die Schachtel auf und machte sich daran, die Räder aufzuheben. »Dimity«, fragte sie schließlich, »warum haßt du mich?«
    Dimitys Lächeln zeigte viel Ei. Thistle öffnete weit den Mund, und das Innere war gelb vor Eidotter. Stücke von der Schale klebten ihr an den Lippen. »Möchste welche? Schließlich hast du sie geholt.«
    Tränen stiegen Jane in die Augen. »Ich hab euch nie was getan. Warum seid ihr so zu mir?«
    Thistles Wangen stülpten sich wegen der Eier aus. Dimity schluckte ihre Eier hinab, wendete den Plastikbeutel und leckte ihn ab. »Ich hab gehört, du wirst Bluggs Bote«, sagte sie.
    »›Bluggs kleines Hätscheltierchen‹ kommt der Sache näher«, geiferte Thistle. »Das bist du doch, nicht wahr, Fräuleinchen?«
    »Nein, bin ich nicht!«
    »Du weißt doch, was er wirklich will, oder?« Dimity schob einen Arm an Thistles Rock hoch, und Thistle rollte in spöttischer Ekstase die Augen. »Er will dich zu seiner Geliebten machen.«
    Jane schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, was das bedeutet.«
    »Er möchte sein Wackeldingsbums in deine Muschi stecken.«
    »Aber ergibt doch überhaupt keinen Sinn!« wimmerte sie. »Warum sollte er das wollen ...?«
    Dimitys Augen wurden zwei harte, flache rote Granate. »Tu mir nicht so unschuldig! Ich hab dich nachts aus dem Bett kriechen und in die Mauer krabbeln hören, wo du die Finger in dein Rattenloch stecken konntest.«
    »Nein. Wirklich nicht.«
    »Oh! Sooowas würdest du nicht tun. Dingel-Dangel Kleines Fräulein Wechselbalg. Halten uns für was Besonderes, nicht? Wart nur, bis Blugg sein Dings in dein Fickloch steckt, wollen wir doch mal sehen, was für Allüren du dir dann zulegst!«
    Thistle hüpfte und tanzte um Jane herum, hob den Rock über die Taille und wackelte mit dem mageren kleinen Hinterteil. »Fickloch, Fickloch!« sang sie. »Fick-Fick-Fick-Loch!«
    »Behalt das einfach im Hinterkopf, mein Mädchen.« Die Fee faßte sie beim Kragen, schob ihn zusammen und hob sie vom Boden, daß es schmerzte. »Ich gebe hier die Befehle. Was ich sage, wird gemacht, Bote oder nicht, Geliebte oder nicht. Du gehorchst mir. Kapiert?«
    »Ja, Dimity«, sagte sie hilflos.
    »Er wird ihn dir auch in den Mund stecken wollen«, sagte Thistle höhnisch grinsend.

    Rooster lag eine Woche lang im Bett, ehe er lange genug das Bewußtsein wiedererlangte, um auf den neuesten Stand gebracht zu werden. Wenn seine Kräfte erschöpft waren, lag er reglos da, kämpfte ums Luftholen, und jeder keuchende Atemzug kam rauh und schmerzhaft. Manchmal weinte er. Zu anderen Zeiten ergossen sich Fetzen gelallten Unsinns aus ihm heraus. »Die Proletarier haben nichts zu verlieren außer ihren Ketten«, sagte er. »Lucky Strike Means Fine Tobacco.«
    Jede Nacht wartete Jane, bis die anderen eingeschlafen waren, ehe sie in die Mauer kroch, um mit dem Zauberbuch zu sprechen. Wenn sie sich in Trance gelesen hatte, die halb Erschöpfung und halb Verzückung war, sprach die Drachenstimme aus ihrem Hinterkopf zu ihr. Sie sagte ihr, daß sie beide Gefangene seien. Sie sagte, ihrer beider Schicksal sei miteinander verknüpft, und sie sprach von der Freiheit, die ihnen gehörte, wenn sie gemeinsam davonflögen. Sie beschrieb endlose Bergketten mit hochgelegenen kalten Seen, südliche Archipele, die sich wie Echsen krümmten, und hochgelegene Horste in Nischen zwischen den Herbststernen. Jane blieb innerhalb der Mauer und lauschte, so lange es ging. Sie kam nur heraus, wenn die Gefahr bestand, einzunicken und am nächsten Morgen beim Wecken entdeckt zu werden, weil sie fehlte. Sie wußte nicht, ob die Stimme des Drachen wirklich oder eingebildet war, und es war ihr gleichgültig.
    Sie stand unter einem Zwang.
    Wenn sie herauskam, war es stets überraschend, Rooster noch immer im Bett vorzufinden, so gründlich hatte sie ihn vergessen. Er wirkte wie ein Fremdwesen, naß vor Schweiß und leuchtend wie ein Insekt, das auf halber Strecke seiner Metamorphose steckengeblieben war. Der Eiter, der seine Verbände beschmutzte, war schwach lumineszierend wie ein Irrlicht und verströmte einen merkwürdigen

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