Die Tochter des stählernen Drachen
Stilt ließ das Ding mit einem überraschten Aufschrei fallen. Er wich zurück, wobei er an seiner Hand saugte.
In dem Augenblick, da die Flammen den Bauch der Puppe berührten, wurde Janes Mund taub. Sie keuchte. Ihre Zunge war angeschwollen und prickelte, als hätte man sie mit Brennesseln bearbeitet. Natürlich! Es waren noch immer Spuren ihres Speichels auf den Fingernägeln. Ein blinder Teil des Fluchs wirkte auf sie.
Vielleicht konnten sie Blugg doch töten.
Skizzelcraw kamen die Tränen. Aber Rooster beachtete sie nicht. Höllische Boshaftigkeit tanzte in seinen Augen, er saß kerzengerade aufgerichtet in seinem Bett, hatte die Fäuste geballt und den Kopf zurückgeworfen. »Ja!« rief er. »Ja! Stirb, du verdammter Kerl, stirb!« Und während Smidgeon und Little Dick wie rasend die Flammen ausschlugen, damit sie sich nicht ausbreiteten, lachte er triumphierend.
In diesem Augenblick ertönte ein Pochen an der Decke des Raums unter ihnen, und Blugg bellte: »Was macht ihr Lümmels da? Bei der Mutter, ich komm zu euch rauf, und ich bringe den Riemen mit!«
Sie hörten mit dem Lärm auf.
Kurz danach vernahmen sie seinen schweren Tritt die Stufen hinaufkommen, dazu das leichtere, lebhaftere Geräusch von Leder, das gegen einen Schenkel klopfte.
Roosters Gesicht zeigte Betroffenheit. Alle Kinder wandten den Kopf gleichzeitig von ihm weg und zu Dimity. Die streckte einen Arm aus und befahl: »Unter die Decken, alle! Aber zack-zack!« Sie huschten zu ihren Betten und gaben sich der abwegigen Hoffnung hin, daß sie der allgemeinen Bestrafung entgehen würden, Jane nicht ausgenommen. Aber ihr fiel auf, daß Thistle vor Zufriedenheit höhnisch grinste.
Dimity war jetzt ihre Anführerin.
3
Alle gaben Jane die Schuld.
Unmittelbar nach Opferung der Puppe bekam Jane leichtes Fieber. Stilt sprach drei Tage lang überhaupt kein Wort mehr. Skizzlecraws Hände und Gesicht waren fleckig von einem Hautausschlag. Zugleich wurde sie mürrisch, aber das entsprach so sehr ihrem bisherigen Charakter, daß es den anderen Kindern kaum auffiel. Allen war offensichtlich, daß der Fluch mächtig war, und es bedurfte einer Erklärung, weshalb Blugg davon nicht berührt wurde.
Dimity erzählte allen - wobei sie von Thistle Rückendeckung erhielt -, daß Jane in Bluggs Büro die Nerven verloren hatte und ohne die Fingernägel herausgekommen war. In ihrem geschwächten Zustand vermochte sich Jane nur sehr armselig zu verteidigen. Und den Schattenjungen hatte die Auseinandersetzung so sehr verblüfft und durcheinandergebracht, daß er keinerlei Hilfe darstellte.
Rooster kannte natürlich die Wahrheit; er hatte die Nägel mit den eigenen Fingern gespürt. Aber er sagte nichts. Nach seinem Augenblick des Triumphs hatte er einen körperlichen Rückschlag erlitten und war wieder in Schweigen und einen blinden Argwohn verfallen. Also blieb Jane völlig ohne Freunde.
Ihre Einsamkeit verstärkte sich durch die neue Stellung, die Blugg ihr verschafft hatte. Jane mußte eine leuchtend orangefarbene Weste tragen, die sie als Boten kennzeichnete. Vorn und hinten hatte sie zwei Pappen, die sie über den Kopf streifte und an der Taille mit vier Bändern aus einem dehnbaren schwarzen Material festzurrte. Es war ihr peinlich, sie zu tragen, und sie fühlte sich wie auf dem Präsentierteller.
Die Arbeit war leicht, jedoch ungewohnt. Während ihrer Ausbildung trabte sie hinter Blugg her, wenn er seine Runden drehte, und hielt den Mund. »Dies ist das Zählerhaus«, knurrte er beispielsweise, oder: »Hier bekommst du das Schmirgelpulver, nur kleine Beutel, und achte darauf, daß du die gelbe Kopie des Bestellscheins behältst.« Jane war erstaunt zu entdecken, wieviel weniger Blugg zu tun hatte als seine Untergebenen; seine Arbeit kam ihr vor wie ein zielloses Umherstreifen, das zum größten Teil aus langen unverständlichen Gesprächen - halb geschäftlich, halb privat - bestand. Manchmal spielte er mit einem untersetzten Mann vom Einkauf Domino, und die beiden kauerten reglos über einem Brett, spähten einander argwöhnisch an und mogelten, wo sie nur konnten.
»Wasch dir das Gesicht!« befahl er ihr in einer Frühstückspause. »Die Hände auch, und schrubb dir die Fingernägel. Du mußt einen guten Eindruck machen.«
»Warum?« fragte sie.
»Scher dich nicht ums Warum! Was geht dich das Warum an? Du tust einfach, was man dir sagt.« Blugg folgte ihr in die Toilette und stand neben ihr, während sie sich wusch, und gab acht, daß sie sich
Weitere Kostenlose Bücher