Die Tochter des stählernen Drachen
auf den Seiten mit sämtlichen Tierkreiszeichen bemalt waren. Spielzeugsoldaten mit Bögen und Minenräumgeräten, ausreichend für zwei volle Kompanien mit je einem Kommandanten-Zauberer. Eine Feenglocke, die, wenn man sie schwang, den Kopf mit einem leisen Geklingel erfüllte; sie war atemberaubend, wenn sie läutete, doch es war unmöglich, sich einen Augenblick später deutlich daran zu erinnern. Würfel und einen Ball.
Mrs. Greenleaf hatte es sich auf der Chaiselongue bequem gemacht. Sie entfaltete eine Zeitung und vertiefte sich darin. Manchmal las sie zur Erbauung ihres Vaters einen Artikel laut vor.
Zwei Stunden lang spielte Jane mit dem Spielzeug. Es machte nicht annähernd soviel Spaß, wie sie vielleicht erwartet hätte. Sie war sich der Anwesenheit des Gutsherren ständig bewußt, seines Blicks, der sich ihr durch den Rücken bohrte. Alles ging in diese Augen hinein, und nichts kam heraus. Er hatte die ungesündeste Aura, die sie je verspürt hatte, eine machtvolle Gegenwart, die sie als gefährlich, launisch, willkürlich empfand. Ab und zu warf sie einen Blick auf seine Hosenbeine und die glänzend polierten Flügelspitzen - niemals höher. Es war, als befände man sich mit einem überhitzten Heißwassergerät im selben Raum und wartete, ob es explodieren würde.
»Hier ist ein interessanter Artikel. Sie mustern diese alten Dreadnoughts der Neptun-Klasse aus und rüsten die Werften für Lenkwaffenschiffe um. Du besitzt ein paar von den Aktien, nicht wahr?«
Baldwynn saß in seinem Stuhl und sah niemanden an.
Es war Abend, als sie, wieder in ihrer eigenen Kleidung, zur Tür zurückkehrte. Sie war seltsam erleichtert darüber, jenes überfüllte Zimmer, seinen unheimlichen Gutsherren und die trockenen Bemerkungen von Mrs. Greenleaf loszusein. Blugg stand auf der Schwelle und zitterte vor Kälte. Sein Blick war düster, als Jane ihm begegnete.
»Du kannst sie in zwei Tagen zur gleichen Zeit wieder herbringen«, sagte die Elfenfrau. Dann, formell: »Du hast unsere Dankbarkeit.«
Jane hatte erwartet, daß Blugg sie schlagen würde. Zumindest würde er ihr eine Ohrfeige versetzen und sich dann den ganzen Weg zurück zum Schlafsaal über sie beklagen und sie ausschimpfen. Aber erneut schien er merkwürdig hochgestimmt von Mrs. Greenleafs Worten.
»Dankbarkeit«, sagte er. »Du hast unsere Dankbarkeit! Das ist was wert, in der Tat, das ist es.«
Sie kehrten nicht direkt zum Schlafsaal zurück, sondern gingen über den Lagerhof zur Schmiede, so daß Blugg verweilen und mit einem Heizerkobold, der dort in einem ausrangierten Glühofen lebte, einen trinken konnte. Der Kobold war ein schwaches Wesen mit Schnauzbart und bewunderte offensichtlich Bluggs massige Gestalt und Selbstsicherheit. Er brachte einen Krug und zwei Becher heraus.
»Ist alles gut gegangen?« fragte er besorgt. »Wie hat’s geklappt?«
»Es war ein verdammter Triumph«, versicherte ihm Blugg. »Ich habe ihre Dankbarkeit. Ihre persönliche Dankbarkeit, denk mal, die Dankbarkeit einer Greenleaf!«
Sie stießen die Gläser aneinander, und der Kobold fragte begierig um Einzelheiten.
Die Schmiede war leer und dunkel, abgesehen vom roten Glühen der mit Asche belegten Glühöfen und einer einzelnen nackten Glühbirne, die über dem Ofen des Kobolds baumelte. Sich selbst überlassen wich Jane in die Schatten zurück. Hinter der Wölbung des Ofens fand sie eine warme Nische und machte es sich zwischen der Schlacke bequem. Diese roch angenehm nach Koksfeuer.
Da sie erschöpft war und zu nichts anderem Lust hatte, lehnte sich Jane zurück und dachte an ihren Drachen. Sie hatte die letzte Woche damit verbracht, Diagramme seines elektrischen Systems zu studieren, und jetzt rief sie sich diese Diagramme vor ihr geistiges Auge, und ein Netzwerk leuchtender silbriger Linien hing vor einem samtfarbenen Himmel im Raum. Es war möglich, das Abbild im Kopf rotieren zu lassen und zuzusehen, wie sich die Drähte einander näherten, zusammenliefen und aneinander vorbeistrichen, während sie erst um die eine Achse kreisten und dann um eine andere.
Nach einiger Zeit verspürte sie die Gegenwart des Drachen deutlicher. Zugleich erfüllte sie eine nervöse Energie, eine kribbelnde Kraft, die den Schlaf vertrieb, ohne daß Jane sich dadurch weniger erschöpft fühlte.
Die Gegenwart des Drachen strahlte eine Wärme aus, eine fast blasierte Zufriedenheit darüber, daß sie unberührt geblieben war. Gleichzeitig hatte diese Wärme unsaubere Tiefen. Je besser
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