Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
Vom Netzwerk:
Namen wie Fata Elspeth und Fata Morgaine und redeten honigsüß und vielsilbig. Ihr Gelächter klang wie kleine Glöckchen, und sie nannten sie Fata Jayne. Ein Elfenprinz drängte ihr eine Schüssel mit köstlichem Fruchteis auf. In seinen Augen lag Verliebtheit. Zwergenhafte Sklaven überhäuften den Fußboden mit Schnittblumen anstelle von Binsen.
    Sie aß einen Bissen Sandwich und kaute langsam, damit er länger vorhielt.
    In dem Bogen des Fensters hockte ihr eigener Aquilohippus. Er hatte den juwelengeschmückten Sattel auf dem Rücken und war begierig loszufliegen. Sein Blick war feurig und der Schnabel so scharf wie Rasierklingen. Niemand außer ihr getraute sich, ihn zu reiten, aber ihr gegenüber war er sehr sanft und lieb. Sein Name war ...
    Jemand trat ihr auf den Fuß.
    »Oh!« Jane stand mühsam auf, warf dabei ihren Saft um und sah, daß Rooster gerade an ihr vorübergegangen war, einen Sack Schrott über die Schulter geschwungen. Er gehörte zur zweiten Schicht fürs Mittagessen und arbeitete noch immer. »Aufgepaßt, Miststück! Es ist fast Zeit!« knurrte er aus dem Mundwinkel. Dann, um seinen Worten die Schärfe zu nehmen, lächelte er und zwinkerte ihr zu. Aber es war ein mattes und wenig überzeugendes Lächeln. Wenn sie es nicht besser gewußt hätte, hätte sie gedacht, er habe Angst.
    Dann war er verschwunden.
    Ihre friedliche Stimmung war erschüttert. Für kurze Zeit hatte sie Roosters wilden Plan vergessen. Jetzt war er wieder da. Zugleich verspürte sie die Gewißheit, daß er niemals funktionieren würde. Man würde sie erwischen und bestrafen, und daran könnte sie nichts ändern. Sie hatte ihr Wort gegeben.
    An der Mauer der Gießerei, die am weitesten von den Kuppelöfen entfernt lag, lag eine Reihe schmaler Büros für die Aufseher. Jane schob das Sandwich in die Tasche ihrer Arbeitsschürze und spähte um die Ecke der Abfalltonne. Sie sah Bluggs Büro und darin Blugg, der, die Zigarette im Mund, an seinem Schreibtisch saß und gemächlich eine Illustrierte durchblätterte.
    Blugg war fett und untersetzt, hatte schwere Kieferknochen und niedrige Brauen, dazu dünnes, lose herabhängendes Haar, das allmählich ausfiel und das er niemals kämmte, sowie ein geschwungenes Paar Widderhörner, auf das er außergewöhnlich stolz war. Für besondere Gelegenheiten ließ er sie lackieren und polieren, und einmal im Jahr, zu Samhain, würde er die Spitzen vergolden. Noch Wochen danach klebten Reste von Gold in den Windungen und Spalten.
    »Psst!«
    Jane drehte sich um. Der Schattenjunge stand in der Nische, die sie gerade verlassen hatte, eine zerlumpte, dämmrige, schwer erkennbare Gestalt, sogar am Mittag. »Rooster hat mich geschickt«, sagte er. »Ich soll mich um dich kümmern.« Sie konnte seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen, aber seine Stimme zitterte.
    Sie fühlte sich jetzt schrecklich und hatte Angst. »Ich kann’s nicht«, sagte sie. Sie verlor die Nerven. »Ich kann’s einfach nicht ...«
    Ein Gebrüll erschütterte die mittägliche Ruhe. Auf einmal rannten alle los, warfen Werkzeuge zu Boden, eilten zum Arbeitsbereich und kletterten auf die Gußformen, um nachzusehen, was los war. Alle eilten auf die Kuppelöfen zu. Dort geschah etwas. Jane sah mit großen Augen auf das Gewirr von Gestalten und war außerstande, sich den Lärm und Aufruhr zu erklären. Doch dann ergab plötzlich alles einen Sinn.
    Rooster, der wie wahnsinnig lachte, pißte einem Hammerriesen auf den Fuß.
    Der Hammerriese kreischte vor Wut. Es war der Sand Slinger persönlich, das größte Wesen der ganzen Fabrik, den sich Rooster herausgepickt hatte. Dies war typische Roostersche Schlauheit, denn der Sand Slinger war nicht nur der größte aller Riesen, sondern er hatte auch die langsamste Reaktion. Aber es war trotzdem etwas wahnsinnig Gefährliches, was er da tat.
    Jetzt endlich dachte der Sand Slinger daran, den Fuß aus dem Urinstrom zu heben und ihn auf seinen winzigen Gegner zu setzen. Der Boden erzitterte bei dem Aufprall.
    Rooster schoß juchzend davon.
    Der Riese drehte den Kopf in verblüffter Wut von Seite zu Seite. Mit gesträubten Brauen starrte er den drei Tonnen schweren Hammer an, der auf seinem Amboß lag. Ein listiger Ausdruck erblühte auf dem groben Gesicht, und er streckte eine gewaltige Pranke nach dem Hammer aus.
    »Jetzt!« Der Schattenjunge wies ängstlich auf Bluggs Büro. Es war leer. Die Tür stand weit offen und war unbewacht.
    Krach! Der Hammer fiel dort nieder, wo Rooster gewesen

Weitere Kostenlose Bücher