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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Viehbetrüger!«
    »In der Kirche sind sie alle, Mütterchen.« Der Bettler wiegte seinen struppigen Kopf wie ein Pferd, das Hafer riecht. »Ein leeres Dorf. Gott hat mich geführt, daß ich dich wenigstens fand.«
    Die alte Klaschka beugte den Kopf nach hinten und lauschte in das große zweistöckige Haus. Dort war es still, nur ab und zu wehte etwas aus dem Innern heran, von der Treppe herab, das wie ein Seufzen klang.
    »Warte, bis die Kirche zu Ende ist, du Schurke!« sagte sie dann. »Siehst du nicht, daß ich arbeite?«
    »Du schlachtest ein Huhn, Mütterchen. Für den Sonntagstisch? Die Knöchelchen kannst du mir aufheben, die Gurgel, den Kopf. Eine fette Suppe kann's noch daraus geben …«
    Der Bettler betrachtete die fleckige Schürze der alten Klaschka und hielt seine Blechschüssel wieder hin.
    »Hier wird ein Kind geboren«, sagte die alte Klaschka und strich sich die Haare aus der Stirn. »Begreifst du nun? Weg mit dir!«
    »Ein Kindchen. Der Herr segne es.« Der Bettler drückte die Blechschüssel an die Brust und sah hinauf in den grauen Himmel. »Vor wessen Haus stehe ich? Für wen darf ich beten?«
    »Das hier ist das Haus der Witwe Helena Feodorowna Woronzowa, und ich bin die Nachbarin Klaschka Jegorowna Pupychew. Und jetzt geh … lauf an den Fluß und wasch dich! Bist du sauber, kannst du wiederkommen! Nur saubere Kerle bekommen bei uns zu essen! Ist's ein Junge, kannst du ein Stück Braten nehmen, ist's ein Mädchen, füll ich dir die Schüssel mit Borschtsch. Aber nun geh … geh …«
    Die alte Klaschka schlurfte ins Haus zurück und warf die Tür zu. Der Bettler schlug ein Kreuz gegen die zugeworfene Bohlentür, nahm sein Schüsselchen und setzte sich neben dem Haus auf einen Stein.
    Ein Sonntag.
    Über dem Fluß Tobol lichteten sich die Nebel. Die Sonne brach durch das Gewölk. Die Wärme nahte.
    In dem zweistöckigen Haus mit dem geschnitzten Balkon rannte die alte Klaschka mit Trögen voll heißem Wasser und auf heißen Steinen gewärmten, weichen, gebleichten Tüchern umher. Aus dem Schlafraum drang Stöhnen und Ächzen, einmal hell wie das Heulen einer Wölfin, dann wieder dunkel und dumpf, als sterbe ein Bär.
    »Wasser!« schrie eine tiefe Frauenstimme aus dem Schlafraum. »Bewege deinen Hintern, Klaschka!«
    Und die alte Klaschka rannte und schleppte dampfendes Wasser heran und breitete die heißen Tücher über einer Stuhllehne aus.
    Im Schlafraum saß die Hebamme Krawzowa vor den gespreizten Beinen einer jungen, stöhnenden, sich aufbäumenden Frau. Nackt war sie, das junge Weibchen, auf ihrer weißen Haut stand der Schweiß, das blonde Haar zerwühlte sie mit ihren Händen und riß an ihm, denn bis zu den Haarwurzeln schrie der Schmerz in ihr. Der hohe, blaugeäderte Leib zuckte wild, als die alte Klaschka auf einen Wink der Krawzowa ein heißes Tuch darüberlegte und die Hände der Hebamme das Fleisch kneteten.
    »O Gott!« schrie die nackte junge Frau. »O Mutter Gottes! Ich zerreiße! Ich zerreiße …« Dann faltete sie die Hände und betete laut.
    Darja Nikolajewna Krawzowa lehnte sich ächzend zurück. Der Stuhl krachte unter ihr und bog sich. Gut zweihundert Pfund wog sie, und dazu trug sie vier Röcke, eine dicke Schürze und hohe, derbe Stiefel. Ein Prachtweib ist sie, sagten die Männer und gingen ihr aus dem Weg, denn wer der Krawzowa in die Hände fiel, war ein armer Mensch: »He!« schrie sie etwa. »Komm her, du! Lauf nicht weg! Du hast gestern deine Frau geschlagen. Still! Ich weiß es! Besoffen warst du wieder! Bürschchen, ich schlage dir den Schädel ein, wenn du deine Nastja nicht in Ruhe läßt!«
    Überhaupt die Darja Nikolajewna! Eine Hebamme war sie, wie sie sein soll! Im ganzen Bezirk Tobolsk gab es keine bessere, und wenn in den Dörfern ringsumher die Weiber in den Wehen lagen, schickte man von weit her nach dem Dorf Podunskoje, um Darja zu holen. Mochte sie grob sein wie ein Fuhrknecht … ihre großen, roten Hände wurden unendlich zärtlich, wenn das neue Leben in den Tag trat.
    Heute war's nun Helena Feodorowna Woronzowa, die am Ende ihrer Kräfte war. Zwischen den prallen Brüsten, in der Halsbeuge und in den Augenhöhlen stand der Schweiß, ihr Leib zuckte, ein Geruch von heißem Blut zog über sie hinweg wie eine erstickende Wolke, die Beine, weit gespreizt und gegen die Schultern der Krawzowa gestemmt, zitterten wie im Frost … und nun war es geschehen, ein Wunder hatte sich wieder vollzogen, der Druck, der schreckliche Druck war vorbei, wie eine

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