Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)
hinab, in der Gewissheit, dass
er ihr folgen würde. Hastig überlegte sie, ob sie ihn in die Küche bitten sollte,
Katrein war sicher noch im Hof mit dem Geschirr zugange. Aber war das wirklich der
richtige Ort für ein nettes Geplauder?
»Das Essen
war vorzüglich. Habt Ihr es gekocht?«, fragte Pascal und betrat neben ihr den Flur.
»Die Köchin
hat eine kranke Tochter und konnte nicht kommen.«
»Welch glücklicher
Umstand für mich, sie hätte mich nicht besser verpflegen können als Ihr.«
»Dann verschone
ich Euch mit diesem Pudding. Den hat meine Schwester angerührt, und die konnte noch
nie kochen. Die sitzt lieber im Kontor über ihren Zahlen.«
»Ach wirklich?«
»Keine Beschäftigung
für eine junge Frau, findet Ihr nicht auch? Sie tut es schon viel zu lange.«
»Dann wird
sie eine Menge gelernt haben.«
»Was habt
Ihr mit Vater besprochen?«
Auf Pascals
Stirn bildeten sich Falten, und sein Blick schien ihr bei der indirekten Erwähnung
des Streits abweisender zu werden. Offenbar wollte er nicht daran erinnert werden.
Trotzdem wollte sie die Frage nicht zurücknehmen, sie nicht durch eine Nettigkeit
übergehen. Was hatten die beiden Männer miteinander zu schaffen?
»Nichts.
Wir sind alte Bekannte.«
»Aus Frankreich?«
»Aus Paris.
Aber wie es scheint, hat er mich nicht in guter Erinnerung behalten. Lasst’s gut
sein, holde Jungfer, und zerbrecht Euch darüber nicht Euren hübschen Kopf.«
Er wandte
sich zum Gehen, und Sieglinde zerbrach sich eben doch den Kopf, nämlich, wie sie
Pascal halten konnte.
»Werdet
Ihr wiederkommen?«, fragte sie hastig. Die beiden Schalen in ihren Händen ließen
ihr keine Möglichkeit für anmutige Bewegungen. Sie fallen zu lassen war keine Alternative.
»Bestimmt«,
er öffnete die Tür. »Solch angenehme Gesellschaft wie die Eure lass ich mir nicht
entgehen.« Damit verschwand er. Sieglinde lehnte sich an die Wand und atmete tief
durch. Ein kleiner Sieg für mich, dachte sie. Sie sah auf den weißen Brei mit der
dunkel gesprenkelten Zimtschicht darüber. Nun hätte sie die Gefäße fallen lassen
können, doch sie entschied sich dagegen. Neben dem unnötigen Dreck, den es verursacht
hätte, beschloss sie, dass man damit etwas Besseres anfangen konnte.
Sie ging
mit beiden Schalen nach oben, um sich bei Winald nach seinem Befinden zu erkundigen
und ihm zu zeigen, dass seine jüngste Tochter nicht einmal eine Nachspeise zubereiten
konnte.
Kapitel 3
Im Warenhaus der Tuchkaufleute ließ
der Betrieb nach. Es ging auf den Abend zu. Männer, die erfolgreich Geschäfte miteinander
getätigt hatten, begaben sich gemeinsam zum Essen im nebenan liegenden Gasthaus
oder luden sich gegenseitig an den heimischen Tisch ein. Sie stießen auf gelungene
Handel an und tauschten Neuigkeiten aus, die von den Ratssitzungen an die Öffentlichkeit
drangen, erwärmten sich für das Thema des Bürgerrechtes, ob man es ausweiten solle
oder nicht, und lamentierten über das Vorrecht der Patrizier, eine Geschlechterstube
zu unterhalten, was allen Nichtangehörigen der hohen Klasse verwehrt blieb. Man
munkelte über eine reiche Kaufmannsfamilie aus Augsburg, die sogar mit dem König
Geschäfte machte und deren Handelsniederlassungen in jedem Land zu finden waren.
»Wohin man geht, überall stolpert man über den Namen der Fugger«, murrten manche.
Oft nutzte
man die Abendzeit auch dazu, weitgereiste Kaufleute nach der Sicherheit von Handelswegen
oder den Preisen für bestimmte Waren in den unterschiedlichen Regionen auszufragen.
Nicht zuletzt ging es um verlässliche oder säumige Handelspartner, um billige Unterkünfte
unterwegs und die gesamtpolitische Lage, die Taten der Habsburger und den Thronerben
Maximilian.
Im Warenhaus
selbst aber kehrte Ruhe ein, die erst am folgenden Vormittag erneut gebrochen werden
würde von den Kaufleuten, die mit ihren Kunden feilschten, Wechsel ausstellten oder
Münzen in ihren Beutel klimpern ließen. Träger und Knechte würden die Ware, die
ihre Besitzer gewechselt hatte, umschichten oder hinaustragen. Dazwischen drängten
sich immer wieder städtische Aufsichtsbeamte, die die Ware siegelten, nachdem sie
Herkunft und Qualität überprüft hatten.
Pascal rieb
sich die Hände. Ulm war ein guter Ort für einen Kaufmann. Er vergaß gern für eine
Weile den eigentlichen Grund, der ihn hergeführt hatte, obwohl, wirklich vergessen
konnte er ihn nicht. Tief im Innern fühlte er sich getrieben davon. Sein Vater hatte
behauptet, er sei besessen, und
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