Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)
die er dem Hund hinwarf.
Dann machte er sich auf den Weg hinaus und betrat den Fischmarkt. Der gemauerte
Fischkasten in der Mitte enthielt Wasser, und als Pascal hineinsah, zogen ein paar
kleinere Fische, deren Art er nicht bestimmen konnte, ihre Bahnen. Er kühlte sich
die Hände und blinzelte im Licht der Abendsonne, die auf dem Wasser Glitzerspiele
trieb. Müßig betrachtete er das üppig bemalte Haus, das er gerade verlassen hatte.
Er musste sich unbedingt von einem Kundigen den Sinn der Gemälde erklären lassen,
es interessierte ihn. In der Tat, Ulm war eine Stadt nach seinem Geschmack. Lange
nicht so groß wie Paris, doch genau das gefiel ihm, das Überschaubare.
Er war kaum
zehn Schritte gegangen, da spürte er eine Hand, die seine Schulter drückte und ihn
am Weitergehen hinderte.
»Was ist?«
Er drehte sich um, eine Idee zu angespannt, wie er selbst bemerkte. Locker bleiben,
sagte er sich, nur so bist du im Vorteil. Alles Bisherige war nur Vorgeplänkel gewesen,
nun würde es ernst werden. Doch vor ihm stand nicht Winald. Stattdessen blickte
er in das Gesicht eines alten Bekannten und entspannte sich wieder.
»Was treibt
Euch von der Nordsee weg an die Ufer der Donau, Mathies Bornheim?«, fragte er und
baute einen kleinen Lacher in seine Rede ein, der ihm selbst viel zu künstlich vorkam.
Doch sein Gegenüber schien nichts von seiner vorübergehenden Nervosität gespürt
zu haben, er lächelte ihn offen an. Der Kaufmann hatte sich kaum verändert seit
ihrem letzten Zusammentreffen. »Wie lange sind wir uns nicht mehr über den Weg gelaufen?
Ein Jahr, zwei?«
Er war immer
noch genauso spindeldürr mit roten Locken und einem mit hellen Flecken übersäten
Gesicht. Mathies entblößte ein tadelloses Gebiss. Pascal wusste, dass er seine Zähne
sorgfältig pflegte und regelmäßig von Speiseresten befreite, wo immer es ging.
»Pascal
Pallet, ich grüße Euch, mit Verlaub, Paris ist weit weg, und in dieser Ecke hier
sah ich bislang weder Euch noch Euren Herrn Vater.«
»Was ich
selbst bereue, ich gebe es zu. Ich hätte schon viel eher herkommen sollen und beginne
gerade, diese Stadt zu mögen.«
»Es ist
schön, Euch wiederzusehen.« Mathies nahm Pascal am Arm und führte ihn in eine Gasse,
in der ein schief hängendes Schild vom Gasthaus zum güldenen Schaf kündete. Das
Ganze sah wenig vertrauenerweckend aus, doch Pascal erinnerte sich an den guten
Riecher seines Begleiters. Er schien sich hier bestens auszukennen. Sie betraten
die Schankstube, und Pascal freute sich auf das Mahl in angenehmer Gesellschaft.
Das rundet diesen Tag wundervoll ab, dachte er. Heute ist Gott mir gnädig.
Mathies
war einer der Kaufleute, die er immer mal wieder auf seinen Reisen traf, eine ganze
Zeit lang waren sie auf denselben Routen unterwegs. Sie hatten des Öfteren Geschäfte
miteinander gemacht und schätzten sich als zuverlässige Partner, abgesehen von den
kleinen Mauscheleien, die hier und dort üblich waren, wollte man erfolgreich Geschäfte
tätigen. Mathies war genau der Richtige, den Tag bei einem guten Mahl ausklingen
zu lassen und sich den neuesten Klatsch und Tratsch von den Handelsrouten erzählen
zu lassen. Zudem schien er ehrlich erfreut, dass sie sich so unvermittelt getroffen
hatten.
»Lasst uns
den Tag genießen, oder zieht es Euch heute noch wohin?«
»Ihr seid
guter Dinge, wie mir scheint. Welche Geschäfte führen Euch her? Wichtige?« Mathies
winkte nach der Bedienung.
»Mein Vater
sandte mich, um neue Handelspartner zu erschließen. Zudem habe ich eine kleine persönliche
Rechnung zu begleichen.«
»Es geht
ihm gut demnach, dem alten Herrn Pallet? Hat er sich aus dem Geschäft immer noch
nicht zurückgezogen, der alte Haudegen?«
»Warum sollte
er?« Pascal grinste.
Sie saßen
an einem grob gearbeiteten Tisch, dessen Ritzen und Riefen an der Oberfläche von
hunderten Gästen zeugten, die an ihm gesessen hatten. Während Pascal von einer Venedig-Reise
berichtete, die sein Vater trotz seines hohen Alters unternommen hatte, brachte
die Schankmagd Bier in Krügen und nannte die Auswahl an Speisen.
Pascal orderte
Braten, Bohnensuppe, Erbsenmus und Pastete. »Heut will ich die Füße hochlegen und
Gott einen guten Mann sein lassen.«
»Ein gutes
Geschäft?«
»Ein sehr
gutes und bei Euch? Kommt Ihr vom Norden oder vom Süden in diese Stadt?«
Mathies
lächelte wieder sein strahlendes Lächeln. »Keins von beiden. Ich bin schon länger
in Ulm. Habe Probleme mit säumigen Zahlungen, die ich von
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