Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
Vom Netzwerk:
abzuhalten, sie zu unterbrechen. „Aber du kennst ihn nicht richtig. Alles, was du weißt, ist, dass er der Sohn irgendeines Adeligen ist.“ Angelina warf trotzig den Kopf in den Nacken. „Und ich weiß, dass er mich liebt!“, rief sie wütend aus. „Er hat es mir gestern Abend gesagt, als er mit mir getanzt hat!“
     
    Der Ball, den ihr Vater in ihrer Casa – einer schamlosen Untertreibung für den prächtigen Palazzo , in dem sie lebten – gegeben hatte, war ein Fest für die Sinne gewesen. Wieder einmal hatte die Oberschicht von Venedig es verstanden, die Luxusgesetze zu umgehen, die der neue Doge erst ein paar Monate zuvor erneuert hatte. Daher hatten sie, anstatt ihren Reichtum mit prunkvollen Übergewändern zur Schau zu stellen, auf den alten Trick zurückgegriffen, mehrere Schichten unscheinbarer, bescheidener Kleidung über Untergewändern von unbeschreiblicher Schönheit und Finesse zu tragen. Indem sie die Ärmel und Röcke ihrer Wämser und Kleider aufschlitzten, hatten die Signori und Signore dafür gesorgt, dass all die kostbaren Einzelheiten ihrer Garderobe dem Auge des eifersüchtigen Betrachters nicht entgingen. Angelina war eine der atemberaubendsten Signorine gewesen – das schwarze Haar und die makellose Haut unterstrichen von einem reich bestickten, mokkafarbenen Kleid. Sie hatte bewusst darauf verzichtet, andere Juwelen anzulegen außer einer Auswahl von bläulichen Perlen, die wie zufällig aus ihren aufgetürmten Locken hervorschimmerten. Die Augen aller jungen Edelleute waren ihr gefolgt, als sie die lange Treppenflucht zum Ballsaal hinabgestiegen war. Insbesondere ein junger Mann war den ganzen Abend nicht dazu in der Lage gewesen, seinen Blick von ihr loszureißen, und aus genau diesem Grund war Desdemona besorgt.
     
    Cesare di Luigno war einer der berüchtigtsten Frauenhelden von Venedig. Desdemona hatte über Christoforo Moro von ihm erfahren, das letzte Mal als dieser Gast im Hause ihres Vaters gewesen war. Einen Moment lang schweiften ihre Gedanken zu dem stattlichen General ab, dessen Bild sie tagein, tagaus verfolgte. Wann hatte sie ihn das letzte Mal gesehen? Vor zwei Monaten? Oder waren es sogar schon drei? Sie unterdrückte ein Seufzen und das aufsteigende Gefühl der Sehnsucht. Sicherlich würden er und die venezianische Flotte den Zwist mit den Türken schon bald für die Lagunenstadt entscheiden, sodass er endlich wieder zurückkehren und ihrem Leben einen Sinn geben würde. Sie verscheuchte den Gedanken an ihn mit einer ungeduldigen Geste, wodurch sie den zusammengekniffenen Blick ihrer Schwester auf sich lenkte. Desdemona zog vorsichtig das rechte Bein unter ihrem Gesäß hervor und streckte es, wobei sie gleichzeitig die Decke enger um ihren Körper schlang. Sie seufzte. „Angelina.“ Ein flehender Ausdruck trat in ihre Augen. „Bitte glaube mir. Der Mann ist nur hinter deiner Mitgift her.“ Mit einer wütenden Bewegung verschränkte Angelina die Arme vor der Brust und schnaubte verächtlich. „Wieso denkst du so etwas?“, focht sie Desdemonas Feststellung an. „Du weißt ja nicht, wie er mich in seinen Armen gehalten hat, wie er mich angesehen hat.“ Sie hielt inne und stieß einen tiefen Seufzer aus. „Wenn du den Ausdruck in seinen Augen gesehen hättest, würdest du nicht so reden!“ Sie trat näher ans Bett und warf sich bäuchlings neben ihre Schwester. Desdemona legte ihr eine beschwichtigende Hand auf den Rücken und begann, mit ihrem Haar zu spielen. Geistesabwesend wickelte sie sich eine Strähne von Angelinas rabenschwarzen Locken um den Zeigefinger, während sie aus dem Fenster starrte und den Tanz der winzigen Staubkörnchen im Sonnenlicht verfolgte. „Lass das!“ Angelina rollte sich auf den Rücken und riss Desdemona unwillig ihr Haar aus der Hand, bevor sie sich auf die Ellenbogen stützte. „Du bist doch nur eifersüchtig!“ Sie blitzte ihre Schwester wütend an. Desdemona wandte sich ihr zu und schüttelte langsam den Kopf. „Nein“, sagte sie ruhig. „Aber ich weiß, dass du nicht die einzige reiche Signorina bist, der er geschworen hat, sie bis ans Lebensende zu lieben.“ Als sie den schockierten Ausdruck auf Angelinas Gesicht sah, fuhr sie schnell fort, ehe ihre Schwester sie unterbrechen konnte. „Er spielt mit unerfahrenen jungen Frauen, die noch nicht wissen, was Liebe bedeutet.“ Sobald die Worte ihren Mund verlassen hatten, hätte sie sich am liebsten die Zunge abgebissen. Anstatt ihre zornige Schwester zu besänftigen,

Weitere Kostenlose Bücher