Die Tore Der Finsternis
ließ den Bleistift fallen, nahm statt dessen den Telefonhörer in die Hand und bat Hynds zu warten, während sie mit Bobby Hogan sprach.
»Hier ist Siobhan Clarke«, meldete sie sich. »Ich hab was vergessen: Dows Messer... bei uns in der Nähe ist ein Heimwerkerladen. Vielleicht hat er es sich dort besorgt. Die werden doch sicher Überwachungskameras haben... oder vielleicht erinnert sich einer der Verkäufer an ihn.« Sie lauschte Hogans Antwort. »Danke«, sagte sie und legte auf.
»Haben Sie schon gefrühstückt?«, fragte Hynds.
»Ich wollte gerade dasselbe fragen.« Derek Linford war hinzugekommen. Beim Anblick seines übertrieben besorgten Gesichtsausdrucks musste Siobhan ein Zittern unterdrücken.
»Ich hab keinen Hunger«, sagte sie zu den beiden Männern. Ihr Telefon klingelte, und sie nahm ab. Die Zentrale meldete sich und stellte den Anruf einer gewissen Andrea Thomson durch.
»Man hat mich gebeten, Sie anzurufen«, sagte Thomson. »Ich bin … nun ja, ich benutze nicht gern den Ausdruck Therapeutin.«
»Sie sind doch angeblich Karriereberaterin«, korrigierte Siobhan sie, womit sie Thomson sichtlich aus dem Konzept brachte.
»Da hat wohl jemand geplaudert«, sagte sie nach längerem
Schweigen. »Sie haben lange mit DI Rebus zusammengearbeitet, richtig?«
Dumm war Thomson also nicht. »Er hat mir erzählt, Sie hätten bestritten, eine Therapeutin zu sein«, entgegnete Siobhan.
»Viele Polizisten reagieren allergisch auf dieses Wort.«
»Ich eingeschlossen.« Siobhan sah Hynds an, der ihr ermunternd zunickte. Linford bemühte sich noch immer um einen mitfühlenden Gesichtsausdruck, allerdings nur mit mäßigem Erfolg. Ihm fehlt die Übung, dachte Siobhan.
»Sie werden feststellen, dass es hilfreich sein kann, über bestimmte Probleme zu sprechen«, erklärte Thomson.
»Ich hab keine Probleme«, erwiderte Siobhan schroff. »Entschuldigen Sie bitte, Ms Thomson, aber ich bin mit einem Mordfall beschäftigt.«
»Darf ich Ihnen trotzdem meine Nummer geben?«
Siobhan seufzte. »Na schön, wenn Sie sich danach besser fühlen.«
Thomson nannte sowohl ihre Büro- als auch Handynummer. Siobhan starrte ins Leere, ohne Anstalten zu machen, sie zu notieren. Thomson unterbrach sich.
»Sie schreiben nicht mit, oder?«
»Doch, natürlich.«
Hynds schüttelte den Kopf, weil er haargenau wusste, was vor sich ging. Er nahm den Bleistift und hielt ihn ihr hin.
»Könnten Sie bitte die Nummern wiederholen?«, sagte Siobhan. Als sie aufgelegt hatte, zeigte sie Hynds den Zettel.
»Zufrieden?«
»Ich wär noch zufriedener, wenn Sie etwas essen würden.«
»Ich auch«, fügte Derek Linford hinzu.
Siobhan schaute auf die Telefonnummern von Andrea Thomson. »Derek«, sagte sie. »Davie und ich haben etwas zu besprechen. Wären Sie so gut, meine Anrufe entgegenzunehmen?« Sie streifte ihre Jacke über.
»Wo wollen Sie hin?«, fragte Linford, bemüht, nicht verärgert zu klingen. »Falls wir Sie hier brauchen.«
»Sie haben doch meine Handynummer«, entgegnete sie. »Unter der bin ich immer zu erreichen.«
Sie gingen das kurze Stück die Straße hinunter zum Engine Shed. Hynds hatte gar nicht gewusst, dass es dort ein Café gab.
»Es war früher wirklich einmal ein Lokschuppen«, erzählte sie ihm. »Für Dampfloks. Sie haben Güterwagen gezogen... hauptsächlich Kohlewaggons, vermute ich. Man kann noch Reste der Gleise sehen - sie führen rüber nach Duddingston.«
Sie bestellten sich Tee und Kuchen. Als Siobhan den ersten Bissen hinuntergeschluckt hatte, merkte sie, dass sie furchtbar hungrig war.
»Also, was haben Sie herausgefunden?«
Hynds war ganz erpicht darauf, endlich loszulegen. Ihr war klar, dass es um etwas ging, das er absichtlich für sich behalten hatte, damit sie es direkt von ihm erfuhr.
»Ich hab mit ein paar Leuten über Marbers Finanzen gesprochen: einem Typ von seiner Bank, seinem Steuerberater, dem Buchhalter der Galerien -«
»Und?«
»Kein Hinweis darauf, dass in nächster Zeit ein größerer Betrag anstand.« Hynds hielt inne, als sei er nicht sicher, ob »anstehen« das richtige Wort war.
»Und?«
»Also hab ich mir die Abbuchungen von seinen Konten angeschaut. Bei Scheckeinreichungen taucht nur die Schecknummer auf den Kontoauszügen auf, deshalb ist nicht ersichtlich, an wen die Zahlungen gingen.« Siobhan nickte, damit er fortfuhr. »Das ist wahrscheinlich der Grund, warum uns eine bedeutende Abbuchung nicht aufgefallen ist.« Er hielt wieder inne, und es war klar,
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