Die Tore Der Finsternis
war, die Seiten zu wechseln. Gray musste ihm unbedingt glauben, musste an seinen Plan glauben.
Denn einen anderen hatte Rebus nicht.
Er bestellte sich einen Whisky, um auf seinen neu gewonnenen Wagemut anzustoßen. Gray hatte um eine Orangenlimonade gebeten. Rebus stellte das Glas vor ihn auf den Tisch.
»Bitte sehr«, sagte er und setzte sich.
»Du musst zugeben«, begann Gray, »dass dieser Traum von dir völlig verrückt ist.«
Rebus zuckte mit den Achseln, hielt sich sein Glas unter die Nase und tat so, als genieße er das Aroma. Doch er war innerlich so angespannt, dass er überhaupt nichts roch.
»Was ist, wenn ich nein sage?«, fragte Gray.
Rebus zuckte erneut mit den Achseln. »Vielleicht geht’s ja auch ohne Hilfe.«
Gray lächelte düster und schüttelte den Kopf. »Ich sag dir mal was«, hub er leise an. »Ich hab vor einiger Zeit was durchgezogen. Keine so große Sache wie das hier, aber mir ist niemand auf die Schliche gekommen.«
Rebus spürte, wie sein Herz stockte. »Was für eine Sache war das?«, fragte er. Aber Gray schüttelte den Kopf und gab keine Antwort. »Warst du allein, oder hattest du Helfer?« Grays Kopf bewegte sich weiter langsam hin und her: kein Sterbenswort.
Waren es Bernie Johns’ Millionen? Die Frage brannte Rebus auf der Zunge. Hör auf mit dem dummen Spielchen
und frag einfach! Er hielt sein Glas in der Hand, bemüht, locker zu wirken, befürchtete jedoch, es jeden Moment zu zerbrechen. Er starrte auf den Tisch, versuchte, das Glas ganz beiläufig abzustellen, aber seine Hand rührte sich nicht. Keine so große Sache. Was bedeutete das? War er über die Beute aus Johns Versteck enttäuscht gewesen, oder wollte er Rebus nur nicht einweihen?
»Hauptsache, man hat dich nicht erwischt«, sagte er gepresst. Er versuchte, sich zu räuspern. Es kam ihm vor, als würden ihn unsichtbare Hände würgen.
Ich schaff es nicht , dachte er.
»Alles in Ordnung?«, fragte Gray.
Rebus nickte und schaffte es schließlich doch, sein Glas abzustellen. »Ich bin nur... etwas nervös. Du bist der Erste, dem ich davon erzählt habe. Was ist, wenn ich dir nicht trauen kann?«
»Das hättest du dir vorher überlegen sollen.«
»Ich hab’s mir vorher überlegt. Aber mir kommen Zweifel.«
»Dafür ist es jetzt zu spät, John. Die Idee ist nicht mehr dein Privatbesitz. Sie ist gewissermaßen frei verfügbar.«
»Es sei denn, ich würde mir dir nach draußen gehen -«
Er überließ es Gray, den Satz zu vollenden: »Und mich mit einem Baseballschläger erschlagen? So wie es Rico ergangen ist?« Gray hielt inne und kaute an der Unterlippe. » Wieso wurde er umgebracht, John?«
»Ich weiß es nicht.«
Gray sah ihn scharf an. »Na, komm schon.«
»Ich weiß es wirklich nicht, Francis. Beim Leben meines Kindes.« Rebus legte die Hand aufs Herz.
»Ich war mir sicher, du wüsstest es.« Gray wirkte enttäuscht.
Du Arschloch. Hat Strathern dich auf mich angesetzt? War die Andeutung auf die Bernie-Johns-Sache bloß ein Köder, damit ich ausplaudere, was ich über Rico weiß?
» Tut mir Leid«, sagte John Rebus und schob seine Hände unter die Beine, damit sie zu zittern aufhörten.
Gray nahm einen Schluck Limonade und unterdrückte ein Rülpsen. »Warum gerade ich?«
»Was meinst du?«
»Warum hast du gerade mir davon erzählt? Seh ich wirklich derart skrupellos aus?«
»Ja, allerdings.«
»Und wenn ich zu Archie Tennant gehe und ihm die Geschichte brühwarm erzähle?«
»Was kann er schon tun?«, meinte Rebus. »Es gibt kein Gesetz gegen Träume.«
»Aber es ist kein Traum, oder?«
»Kommt drauf an.«
Gray nickte. Sein Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Er hatte eine Entscheidung getroffen. »Weißt du, was«, meinte er. »Ich würde gern mehr über deinen Traum erfahren. Wie wär’s, wenn du auf der Rückfahrt ein paar Wissenslücken bei mir schließt?«
»Was für Lücken?«
»Wo sich die Lagerhalle befindet, wie sie bewacht wird, um was für Drogen es sich handelt.« Gray unterbrach sich. »Das dürfte für den Anfang reichen.«
»Einverstanden«, erwiderte Rebus.
19
Siobhan hatte verschlafen. Während sie darauf wartete, dass das Wasser der Dusche warm wurde, rief sie auf dem Revier an, um sich zu entschuldigen. In St. Leonard’s schien niemand über ihre Abwesenheit besonders beunruhigt zu sein. Sie sagte, sie würde auf jeden Fall noch kommen. Als das Wasser auf ihren Kopf prasselte, fiel ihr schlagartig ihre Wunde wieder ein, und sie begann zu fluchen.
Donny
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