Die Königin ist tot: Roman (German Edition)
Die Lobby
1
Ich lasse mich immer gerne ficken von einem Krieger. Das ist es, was ich dachte, als ich an Peters kantiger Uniformjacke vorbeisah, gerade so, dass ich den winzigen Ohrring wieder fand, das einzige – und ein wenig deplatzierte – Schmuckelement an seinem völlig kahlgeschorenen Schädel unter der Türstehermütze. Ein Türsteher kommt ja weniger in Frage. Ich betrachtete ihn eingehender, während er die Dämmerung hinter mir im Auge behielt, das Mischlicht (halb Tageslichtrest, halb Nachtkunstlicht), das den runden Einfahrtsbereich ausfüllte, der zwischen Lobby und Parkhaus eingebettet ist.
Peters Züge waren härter, konturierter als zuletzt, doch ich hätte nachrechnen müssen, um zu sagen, wie lange es her war, dass ich den Turm durch die Drehtür verlassen hatte, diese Drehschleuse in Turbinenform, die ich eben in die andere Richtung passiert hatte (ein Vorgang, bei dem portionsweise Außenluft in das Gebäude eingearbeitet wird), während Peter damals wie heute so getan hatte, als ob er mich nicht sehen könnte. Doch diesmal wollte ich ihm das nicht durchgehen lassen: Schön, dich zu sehen, sagte ich, und zwang ihm meinen Blick auf, den er nach kurzer Gegenwehr erwiderte.
Ich erinnere mich, dass ich weiter dachte, dass es mit evolutionärem Vorteil zu tun haben müsste, was keine große Erkenntnis ist, denn so ziemlich jedes menschliche Verhalten lässt sich mit evolutionärem Vorteil begründen. Darauf haben Jahrmillionen zuchtwahlgetriebener Entwicklung uns hingetrimmt: Auf das Bild eines Mannes im Kampfanzug, eines offen kampfbereiten Mannes wird mit sexuellem Interesse reagiert, zumindest, wenn er halbwegs attraktiv ist. Mit Fluchtbereitschaft auch und Aggression, zugegeben, in einem Mischungsverhältnis, das nicht zuletzt von der eigenen Ausrüstung abhängt, doch jedenfalls mit sexuellem Interesse. So einfach ist das, stellte ich fest, als ich an Duncans Seite den Lift betrat, Türsteher und Portier außen vor lassend. Wie absurd es war, dass Duncan darauf bestanden hatte, mich zu begleiten, dachte ich noch, als ich ihn im Spiegel ansah, seine fast spiegelgleichen Hälften, die erst im weißen Haar am Oberkopf zusammen fanden, die krawattenbezeichnete Mittelnaht, entlang derer man so einen Mann idealerweise teilen können müsste.
Noch absurder war allerdings, dass es mir durchaus nicht ungelegen kam, von Duncan begleitet zu werden, als wäre er mein Vater, der mich einem Mann übergeben wollte, und das ist nun ein wirklich rückwärtsgewandter Brauch; ich glaube, ich wollte mich noch ein wenig an ihm festhalten, denn trotz allem, was zwischen uns vorgefallen war, seine Gegenwart war vertrautes Gelände, und das, worauf ich mich eben einließ (Alexander), war es nicht. Da traf es sich ausgezeichnet, dass Duncan und Alexander sich so gut verstanden und in den meisten Dingen einig waren. Auch in Bezug auf mich, hieß es das? Ich kam zu keinem raschen Schluss, also ließ ich die Sache auf sich beruhen.
Die Aufzugskabine fuhr an, nun war die Sache einfach, die Erreichung des Ziels vorgegeben und kaum noch zu verhindern: Eine neue Ehe. Und Alexander. Die Frauen, die ihr Heil in Fortpflanzung und Unterwerfung suchten, haben es gefunden und ihre Lebensweise weitergegeben in siebenfacher Ausfertigung und bis ins siebte Glied. Sind doch die klügeren Jungfrauen, am Ende des Tages. Das sagte ich mir, um mich in Stimmung zu bringen. Eine vermummte reingläubige Selbstmordattentäterin wäre ich gerne, die ihren Mann rächen kann, dachte ich und schenkte meinem feingliedrigen nunmehrigen Exmann Duncan ein großzügiges spiegelvermitteltes Lächeln (bereits aufgefahren in einen Himmel, dachte ich, während die Liftbewegung gerade so richtig in Schwung kam, einen Himmel, in dem man ihn nicht zu lange warten lassen will). Das gibt der Sache so was Ewiges. Wobei es dann evolutionär gesehen von Nachteil ist, wenn man sich umbringt vor der Reproduktion. Neben Duncans Mundwinkel zuckte ein kleiner Muskel. Du bist ja gut gelaunt, sagte er. Das ist schön.
Ich stimmte ihm zu, was sollte ich tun. Er hatte recht, ist doch schön, an etwas vorbehaltlos zu glauben. Auch wenn mich meine gute Laune selbst ein wenig verwunderte. Während die Stockwerkanzeige über der Tür spiegelverkehrt die 40 durchlief und ich mir ein Spiel daraus machte, mir zu überlegen, welche Ziffernkombinationen auch in gegenläufiger Darstellung einen Sinn ergaben, sah ich, wie Duncans Hand in der Nähe der Navigationsknöpfe ruhte,
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