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Die Tote in der Bibliotek

Die Tote in der Bibliotek

Titel: Die Tote in der Bibliotek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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glauben einfach, was man ihnen sagt. Ich nicht. Ich möchte es immer erst nachprüfen.»
    «Der wissenschaftliche Ansatz», sagte Sir Henry.
    «In unserem Fall», fuhr Miss Marple fort, «hat man gewisse Dinge von vornherein als gegeben hingenommen, statt sich strikt an die Fakten zu halten. Und die Fakten waren für mich, dass das Opfer sehr jung war, dass es Nägel gekaut hat und dass es etwas vorstehende Zähne hatte, wie viele junge Mädchen, wenn das Gebiss nicht beizeiten korrigiert wird – aber Kinder sind da sehr unartig und nehmen ihre Zahnspangen heraus, wenn die Erwachsenen nicht in der Nähe sind.
    Aber ich schweife ab. Wo war ich stehen geblieben? Ach, ja. Ich habe mir also das tote Mädchen angesehen, voller Bedauern, denn es ist immer traurig, wenn ein so junges Leben ausgelöscht wird. Wer das getan hatte, musste ein sehr böser Mensch sein. Dass sie in Colonel Bantrys Bibliothek gefunden wurde, war verwirrend, viel zu romanhaft, um wahr zu sein. Das ergab ein ganz falsches Bild. Aber so war es ja auch nicht gedacht gewesen, daher unsere Verwirrung. Ursprünglich sollte die Leiche dem armen Basil Blake untergeschoben werden, zu dem das Mädchen auch viel besser gepasst hätte. Dass der sie dann in Colonel Bantrys Bibliothek brachte, hat alles Weitere stark verzögert und muss dem wahren Mörder äußerst unangenehm gewesen sein.
    Ursprünglich hätte also Mr. Blake als Erster verdächtigt werden müssen. Man hätte in Danemouth nachgeforscht und herausgefunden, dass er Ruby kannte und auch noch zu einem anderen Mädchen Kontakt aufgenommen hatte. Man wäre davon ausgegangen, dass Ruby ihn erpressen wollte oder dergleichen und dass er sie in einem Wutanfall erwürgt hatte. Ein ganz normales, erbärmliches Halbweltverbrechen, wie ich es nenne!
    Aber es kam alles anders, und so hat sich das Interesse viel zu früh auf die Jeffersons konzentriert zum großen Ärger einer gewissen Person.
    Ich bin, wie gesagt, ein misstrauischer Mensch. Mein Neffe Raymond meint (im Scherz natürlich und ganz liebevoll), ich hätte wie die meisten Viktorianer eine abgrundtief schlechte Phantasie. Ich kann dazu nur sagen: Wir Viktorianer kennen die menschliche Natur eben recht gut.
    Da also eine schlechte Phantasie auch ihr Gutes hat, habe ich mir als Erstes den finanziellen Aspekt der Sache angesehen. Zwei Menschen konnten vom Tod des Mädchens profitieren, so viel stand fest. Fünfzigtausend Pfund sind eine Menge Geld, besonders wenn man wie die beiden in finanziellen Schwierigkeiten steckt. Aber es waren nette, angenehme Leute, denen man so etwas nie zugetraut hätte. Nur – man weiß nie, nicht wahr?
    Mrs. Jefferson zum Beispiel – jeder mochte sie. Doch diesen Sommer war eine große Unruhe in ihr aufgekommen. Sie hatte das Leben, das sie führte, die völlige Abhängigkeit von ihrem Schwiegervater satt. Von seinem Arzt wusste sie aber, dass er nicht mehr lange zu leben hat, und so war sie, herzlos gesagt, ganz beruhigt – oder sie wäre es gewesen, wenn Ruby Keene nicht auf der Bildfläche erschienen wäre. Mrs. Jefferson hätte alles für ihren Sohn getan – manche Frauen haben ja die kuriose Vorstellung, dass ein Verbrechen, das man seinen Kindern zuliebe begeht, geradezu moralisch gerechtfertigt ist. Einer ähnlichen Haltung bin ich auf dem Dorf schon mehrmals begegnet. ‹Sie hat’s doch für Daisy getan, Miss›, heißt es dann, als würde fragwürdiges Verhalten dadurch weniger fragwürdig. Sehr laxe Moral.
    Mr. Gaskell bot natürlich weit mehr Angriffsfläche. Er war ein Spieler und hatte meiner Einschätzung nach keine allzu strengen moralischen Grundsätze. Aber aus bestimmten Gründen war ich der Überzeugung, dass eine Frau bei dem Verbrechen die Hand im Spiel hatte.
    Im Hinblick auf das Motiv hatte der finanzielle Aspekt einiges für sich. Dummerweise hatten sowohl Mr. Gaskell als auch Mrs. Jefferson ein Alibi für den Zeitpunkt, zu dem Ruby Keene laut ärztlichem Befund getötet worden war. Doch dann wurde der ausgebrannte Wagen mit Pamela Reeves’ Leiche entdeckt. Damit war alles klar. Die Alibis waren wertlos.
    Ich hatte jetzt zwei Hälften, beide recht überzeugend, aber sie passten nicht zusammen. Irgendeine Verknüpfung musste es geben, aber ich fand sie nicht. Die einzige Person, von der ich wusste, dass sie in das Verbrechen verwickelt war, hatte kein Motiv.
    Es war dumm von mir», sagte Miss Marple nachdenklich, «aber ohne Dinah Lee wäre ich einfach nicht darauf gekommen, dabei war es das

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