Die Tote von San Miguel
übersäte Gläser vom vergangenen Abendessen. Eines Essens für zwei Personen.
Martina räumte den Tisch ab und trug das schmutzige Geschirr in eine kleine Küchennische. Diaz setzte sich und ließ den Blick über die mit Terrakottaziegeln gedeckten Hausdächer der Stadt wandern. Ein Bild voller Unschuld wie auf einer Ansichtskarte. Im Geist drehte er die Karte um und las:
Liebe Mom, lieber Dad. Ich verlebe eine herrliche Zeit hier in San Miguel. Es ist kühl, aber sonnig. Jeden Abend grandiose Sonnenuntergänge. Ich habe viele neue Freunde aus den Staaten gefunden. Mein Spanisch wird langsam besser. Ich hoffe, bei Euch in Dallas ist alles okay. Liebe Grüße, Amanda.
Später würde er versuchen müssen, Amandas Eltern anzurufen. Er nahm an, dass sie in Dallas lebten. Er würde ihnen mitteilen, dass ihr kleines Mädchen tot war, aber am Telefonkeinerlei Einzelheiten preisgeben. Diaz fragte sich, ob sie den Leichnam zurück in die Staaten überführen lassen würden. Vielleicht aber ließen sie sie auch hier beerdigen, wo niemals irgendjemand ihr Grab besuchen würde, um ihr einen Strauß Blumen zu bringen oder ein Gebet für sie zu sprechen.
Martina stellte ein Tablett mit zwei winzigen Porzellantassen auf Untersetzern und einem dampfenden Espressokännchen auf den Tisch. Sie schenkte den Kaffee ein. Diaz trank einen Schluck, und im nächsten Moment vertrieb der bitter-würzige Espressogeschmack den Schrecken der Nacht. Wenn auch nur für einen kurzen Moment.
»Hättest du vielleicht einen Brandy?«
»Hector, du bist nie mit dem zufrieden, was man dir gibt. Ich weiß nicht, warum ich mich überhaupt mit dir abgebe.« Martina zuckte resigniert die Achseln und holte eine Flasche El Presidente . Diaz schüttete etwas davon in seine halb geleerte Tasse und stürzte die Mischung in einem Zug hinunter, ohne dabei eine Miene zu verziehen. Er schenkte sich noch zweimal nach – jeweils Brandy pur – und stellte die kleine Tasse jedes Mal wie ein Schnapsglas mit einem harten Ruck auf den Tisch zurück.
»So schlimm?«, fragte Martina.
»Gestern Nacht ist eine 22-jährige Frau getötet worden. Man hat sie verstümmelt und im jardín abgeladen.«
Martinas Gesicht zuckte. »Auf welche Art ist sie verstümmelt worden?«
»Das musst du nicht wissen.«
»Tut mir leid.«
»Und außerdem war sie eine gringa . Meine Vorgesetzten werden meine cojones in Geiselhaft nehmen, bis ich ihnen den Mörder geliefert habe.«
Martina stand auf, ging um den Tisch herum und schlang Diaz von hinten die Arme um die Schultern. Als sie sich vorbeugte, klaffte ihr Morgenmantel auf. Diaz erhob sich und drehte sich zu ihr um. Ihr Morgenmantel öffnete sich weiter. Er legte eine Hand auf ihren warmen Bauch, ließ sie aufwärts wandern und umfasste ihre vollen Brüste, deren Brustwarzen so hart wie Glasperlen waren.
Sie knöpfte sein Hemd mit flinken Fingern auf und fuhr mit den Händen über seine Brust. Ein Sonnenstrahl fiel auf die fast flüssig anmutende Oberfläche einer kleinen goldenen Kreatur, die an einer Lederschnur von Diaz’ Nacken herabbaumelte. Teils Raubvogel, teils Gottheit. Ehécatl , der Gott des Windes, den sich Diaz zusammen mit seinem Großvater vor langer Zeit aus einem verschollenen aztekischen Grab in den Bergen ausgeliehen hatte, blies seinen fiebrig heißen Atem über Martinas Brüste und wanderte weiter abwärts, um ihre geöffneten Schenkel zu küssen.
Ein ungeduldiges Stöhnen entschlüpfte ihren Lippen. Sie zog den Reißverschluss seiner Hose herunter, schob ihre Hand hinein, schloss sie um Diaz’ Schwanz, der bereits stahlhart geworden war, und zog ihn mit sich auf die offene Tür ihres Schlafzimmers zu.
Schon vor der Tür registrierte Diaz bereits, dass das Bett noch von der Nacht zerwühlt war. Und ein weiteres wichtiges Indiz: In diesem Bett hatten erst kürzlich zwei Personen geschlafen.
Er zuckte die Achseln. Was sollte er schon tun? Er war nicht allzu häufig für Martina als Liebhaber verfügbar, und Frauen hatten nun mal ihre Bedürfnisse.
Wie um seine Gedanken zu bestätigen, ließ sich Martina rücklings auf das Bett fallen, die Beine weit zu einem V wie als Symbol ihres Triumphes gespreizt. Ein Lächeln irgendwozwischen dem der Mona Lisa und dem einer Priesterin des Goldenen Kalbes, die auf ihren Liebeslohn wartet, kräuselte ihre Lippen.
Hol dir das Gold , dachte Diaz. Er streifte seine Schuhe, die Hose und die mit Herzen in unterschiedlichen Pastellfarben bedruckten Boxershorts ab und
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