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Die Tote von San Miguel

Die Tote von San Miguel

Titel: Die Tote von San Miguel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Woods
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das?«
    »Um festzustellen, ob sie bereits tot war. Vielleicht hat sie sich ja noch warm angefühlt. Eine attraktive junge Frau, offenbar im estado borrachera ? Bis zur Bewusstlosigkeit betrunken. Die perfekte Gelegenheit für ein kleines spätnächtliches Vergnügen, sí ? Wozu Sie nur etwas Hilfe von Ihrer Freundin Consuela gebraucht haben, ein kleines bisschen Fellatio, um so richtig in Fahrt zu kommen. Schließlich waren Sie ebenfalls alkoholisiert, nicht wahr, señor ? Und im ganzen Überschwang der Dinge ist sie dann leider irgendwie ums Leben gekommen.«
    »Wovon, zur Hölle, reden Sie da?«
    »Nur eine von mehreren Theorien darüber, die mir so durch den Kopf gehen, wie es zur Ermordung einer jungen Frau im jardín gekommen sein könnte.«
    Consuela sprang auf und beugte sich weit über den Tresen hinüber, die Lippen nur einen Finger breit von Silvas Nase entfernt, die so pockennarbig wie die Oberfläche des Mondes war. Ihre Augen loderten wie brennende Signalfackeln, die einen Verkehrsunfall absichern. In ihrer Wut wirkten ihre Brüste, die von dem dünnen Stoff des Abendkleides kaum verborgen wurden, irgendwie geschlechtslos. »Sie können mich mal, Sergeant! Wir lassen keine derartigen Spielchen mit uns treiben! Sobald es hell wird, fahren wir nach Mexico City zurück. Und ich hoffe, weder Sie noch dieses Kaff jemals wiedersehen zu müssen!«
    Silva zog den Kopf zurück, als würde Consuelas Atem stinken. »Ein Spielchen?«, fragte er. »Das ist kein Spiel, señora .« Seine breiten Lippen bewegten sich kaum, während er sprach. »Wenn Sie diesen Gerichtsbezirk verlassen wollen, müssen vorher gewisse Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden. Sie sind zumindest wichtige Zeugen in einem Mordfall. Und im schlimmsten Fall …«
    Die Müdigkeit kehrte unvermittelt in Consuelas Gesicht zurück. Plötzlich war erkennbar, wie sie kurz nach ihrem Tod aussehen würde. Die Wanduhr zeigte drei Uhr zehn in der Frühe an. Die Nacht floss so träge dahin wie eine aufgeblähte Wasserleiche, die einen Fluss hinabtreibt. Als wollte die Morgendämmerung niemals anbrechen.
    Leo legte Consuela eine Hand auf die nackte Schulter. Sie schüttelte sie mit einem Achselzucken ab und ließ sich wieder auf die Sitzbank des Wartebereichs sinken. Die Verbitterung grub tiefe Furchen in ihre Stirn. Sie starrte die gegenüberliegende Wand an, die bis auf ein rustikales Kruzifix schmucklos kahl war.
    Leo leckte sich mit der Zungenspitze über die Lippen. »Wie viel, damit wir von hier verschwinden können?«
    Silva öffnete ein Päckchen Tabak und drehte sich eine frische Zigarette. Seine kurzen dicken Finger bewegten sich schnell und geschickt. Er zündete die Zigarette an und rauchte. Sein Blick ruhte erneut auf Consuela, die jedoch keinerlei Reaktion zeigte.
    »Aus Sicherheitsgründen, damit Sie ohne unnötige Verzögerung nach Ciudad de México zurückkehren können? Ich denke, 10 000 pesos dürften dafür ausreichen. Und natürlich eine unterschriebene eidesstattliche Erklärung, die besagt, dass Sie das tote Mädchen gefunden haben.«
    »Ich habe nicht so viel Bargeld bei mir.«
    »Die Bankautomaten sind 24 Stunden am Tag in Betrieb, señor Bremmer.«
    Leo griff in seine Jackentasche und zog ein Lederportemonnaie hervor. Eins der Fächer war voller Banknoten. Seine Lippen bewegten sich lautlos, während er das Geldbündel durchblätterte. »3000 pesos «, sagte er schließlich.
    »Lassen Sie mich sehen.« Silva streckte eine Hand nach dem Portemonnaie aus. Plötzlich schoss eine andere Hand scheinbar aus dem Nichts hervor und schloss sich wie ein Fangeisen um Silvas Handgelenk. Da Leo das Portemonnaie bereits losgelassen hatte, landete es mit einem satten Klatschen auf dem Boden.
    »Komme ich vielleicht ungelegen, Sergeant?«, fragte eine raue Stimme.
    Der Neuankömmling, übertrieben penibel in einen grauen Anzug und ein gestärktes weißes Hemd mit burgunderroter Krawatte gekleidet, war groß und beinahe geisterhaft dünn. Sein schwarzes Haar war lang, aber sorgfältig frisiert.
    Die mit Nikotinflecken übersäten Finger ließen Silvas Handgelenk los. Der Sergeant zog den Arm zurück und massierte sich das rot verfärbte Druckmal mit der anderen Hand. »Inspector Diaz«, murmelte er. »Ich hatte Sie nicht so schnell hier erwartet.«

Kapitel 4
    Trotz seiner Höhe hatte der Raum etwas Klaustrophobisches an sich. Vielleicht lag es daran, dass er sehr schmal geschnitten war, ursprünglich die rückwärtige Eingangshalle eines

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