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Die toten Frauen von Juárez

Die toten Frauen von Juárez

Titel: Die toten Frauen von Juárez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hawken
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Fuß war er beweglicher. Zu Fuß war er frei. Er wollte weder gefangen sein noch auf dem Präsentierteller sitzen, und Fußgänger schienen für alle Motorisierten unsichtbar zu sein.
    Sein Ziel war der El Club Kentucky. Er lief quer über die Straße und handelte sich dadurch wildes Hupen und Fluchen ein. Unter dem grünen Baldachin der Bar war es kühler, im Inneren sogar noch erträglicher. Schwere Holzbalken trugen die hohe Decke. Ein paar Kronleuchter mit gelblichen, Kerzen nachempfundenen Glühbirnen baumelten herab, doch für den größten Teil der Beleuchtung sorgten die Lichter der Straße.
    Um diese Zeit, mitten unter der Woche, herrschte kaum Betrieb. Kelly setzte sich auf einen Hocker an der Bar aus nachgedunkeltem Eichenholz, die sich bis in den hinteren Teil erstreckte. Im Fernseher lief
fútbol,
doch der Bildschirm befand sich direkt über Kellys Kopf; selbst wenn er gewollt hätte, hätte er das Spiel nicht verfolgen können.
    Das Kentucky war fast hundert Jahre alt, aber in gutem Zustand, da es an Kundschaft und Geld nicht mangelte. Es hieß, dass Bob Dylan schon hier getrunken hätte und Marilyn Monroe auch. Das Interieur der Bar warso alt wie das Gebäude selbst: groß, wuchtig, Holz und Glas und altersgraue Spiegel. Der Barkeeper war ein alter Mann mit Schürze. Er brachte Kelly eine Flasche Tecate und eine kleine Schale Limettenschnitze.
    »Dónde está Estéban?«,
fragte Kelly den Barkeeper.
    »Quién sabe?«,
antwortete der Barkeeper.
    Kelly gönnte sich einen Schluck Bier und einen Limettenschnitz und wartete. Wäre es später im Jahr gewesen, hätte er sich nach Eintrittskarten für Stierkämpfe erkundigt, billige Plätze gekauft und an betrunkene
turistas
weiterverscherbelt, die nicht wussten, dass sie einfach reinspazieren und für weniger Geld bessere Plätze bekommen konnten.
    Estéban kreuzte erst eine Stunde und zwei Bier später auf. Er ging an Kelly vorbei, ohne ihn zu sehen, doch als Kelly seinen Namen rief, drehte er sich um, als wäre er nicht im Geringsten überrascht. »He,
carnal. Que onda?
«, fragte Estéban. »Wo bist du gewesen, Mann?«
    Er setzte sich auf einen Hocker. Er war leichter und kleiner als Kelly, seine Haut freilich von Natur aus und durch die Zeit in Strafgefangenentrupps auf der amerikanischen Seite tiefbraun gebrannt. Er trug eine Sonnenbrille, nahm sie hier drin jedoch ab. Kelly behielt seine auf.
    »Hier und da«, sagte Kelly. »Ich hab nach dir gesucht.«
    »He, ich bin nicht schwer zu finden. Was ist mit deinem Gesicht passiert? Warst du wieder in
el boxeo?
Wann lernst du es endlich, Mann?«
    »Vermutlich nie«, sagte Kelly. »Was trinkst du?«
    »Hast heute die Spendierhosen an, hm? Ich nehme eine
cerveza,
wenn du bezahlst.«
    Kelly bestellte ein Tecate für Estéban und noch eins für sich. Der Barkeeper brachte frische Limetten.
    »Es ist dieser
puto
Ortíz«, beklagte sich Estéban bei Kelly. »Die Leute, die er kennt … mit dieser Welt solltest du nichts zu tun haben.«
    »Ich will nur boxen«, sagte Kelly. Er wünschte sich, Estéban würde nicht darüber reden. »Ich will nicht mit dem Kerl ficken.«
    »Wen er fickt, den fickst du«, entgegnete Estéban.
    »Das ist vollkommen sinnloses Geschwätz.«
    »Für dich vielleicht.«
    Sie tranken. »Hast du sonst noch was zu erledigen?«, fragte Kelly schließlich.
    Estéban legte die Hand aufs Herz. »Was denkst du, Mann? Glaubst du, nur weil ich ein paar Tage im Urlaub war, hätte ich dich vergessen? Ich bin kein Arschloch; ich weiß, was Loyalität heißt.«
    »Ich hab den Kampf nur angenommen, weil ich dich nicht finden konnte. Die Miete bezahlt sich nicht von selbst«, sagte Kelly.
    »Ich war eine Weile unten in Mazatlán, meiner Cousine bei den Hochzeitsvorbereitungen helfen. Paloma und ich. Du beleidigst mich, Mann.«
    Kelly trank sein Bier aus. »Ich will nicht streiten, ich will nur Arbeit.«
    »Solche Arbeit, wie Ortíz sie dir gibt?«
    »Lass den aus dem Spiel.«
    »He, schon gut«, sagte Estéban. Er klopfte Kelly auf die Schulter. »Hör mal, ich bin wieder in der Stadt und habe jede Menge für dich. Eigentlich wollte ich dich heute sogar anrufen und fragen, ob du ein bisschen Zeug für mich transportieren kannst.«
    »Was für Zeug?
    »Das übliche Zeug. Geh mir nicht auf den Sack, okay?«
    Kelly bestellte noch ein Bier beim Barkeeper. Er legte etwas Geld auf den Tresen, das der alte Mann verschwinden ließ. Eine frische, vom Kondenswasser der Kühltruhe überzogene Flasche Tecate wurde

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