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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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kleine Freude machen können. Dann gingen seine Gedanken unmerklich auf andere Gegenstände über und gerieten schließlich Gott weiß wohin. Er dachte an die Wonne des freundschaftlichen Lebens, und wie schön es sein müßte, mit einem Freunde am Ufer eines Flusses zu wohnen; dann begann er über diesen Fluß eine Brücke zu bauen, dann ein gewaltiges Haus mit einem so hohen Belvedere, daß man von da selbst Moskau sehen konnte; er träumte davon, daß er da abends in der freien Luft seinen Tee trinken und sich mit dem Freunde über irgendwelche angenehmen Gegenstände unterhalten wolle. Dann stellte er sich vor, daß er mit Tschitschikow zusammen in einem schönen Wagen zu einer Gesellschaft führe, und daß sie da alle Anwesenden durch ihr angenehmes Betragen in Entzücken versetzten, und daß der Kaiser, der von ihrer großen Freundschaft erfahren habe, ihnen den Generalsrang verliehe; und so dachte er immer weiter noch gar manches, was ihm selbst schließlich nicht mehr deutlich wurde. Die Erinnerung an Tschitschikows sonderbare Bitte unterbrach auf einmal all seine Träumereien. Mit dem Gedanken an sie konnte er in seinem Kopfe gar nicht zurechtkommen; wie er auch die Sache hin und her drehte, er vermochte schlechterdings nicht darüber zur Klarheit zu gelangen und saß lange Zeit so da und rauchte seine Pfeife; das zog sich bis zum Abendessen hin.

Drittes Kapitel
    Tschitschikow saß in sehr zufriedener Gemütsstimmung in seiner Britschke, die schon lange wieder auf der großen Landstraße dahinrollte. Aus dem vorhergehenden Kapitel war bereits ersichtlich, worauf sein Geschmack und seine Neigungen besonders gerichtet waren, und man kann sich deshalb nicht darüber wundern, daß er sich bald ganz mit Leib und Seele in diesen Gegenstand vertiefte. Die Pläne, Berechnungen und Vorstellungen, die ihn beschäftigten, waren offenbar sehr vergnüglicher Art, da sie alle Augenblicke auf seinem Gesichte ein zufriedenes Lächeln hervorriefen. Von diesen Gedanken in Anspruch genommen, achtete er nicht darauf, daß sein Kutscher, sehr zufrieden mit der Aufnahme, die er bei Manilows Hofgesinde gefunden hatte, dem scheckigen Beipferde, das zur rechten Hand angespannt war, einige sehr vernünftige Bemerkungen zukommen ließ. Dieser Schecke war überaus listig und stellte sich nur so, als ob er ziehe, während das braune Deichselpferd und der Fuchs, der als linkes Beipferd ging (er wurde »der Assessor« genannt, weil er irgendwelchem Assessor abgekauft worden war), sich von ganzem Herzen anstrengten, so daß man es ihnen sogar an den Augen ansehen konnte, wieviel Vergnügen es ihnen machte. »Wenn du es auch schlau anfängst, ich werde doch noch schlauer sein!« sagte Selifan, indem er sich ein wenig erhob und dem Faulpelz einen Schlag mit der Peitsche versetzte. »Du mußt lernen, was deine Pflicht ist, du deutscher Zierbengel! Der Braune ist ein achtbares Pferd; er tut seine Schuldigkeit; ich gebe ihm gern ein Maß Hafer mehr, weil er ein achtbares Pferd ist; und der Assessor, der ist auch ein gutes Pferd … Na, na, was schüttelst du mit den Ohren? Hör zu, du Dummkopf, wenn man zu dir redet! Ich werde dich nichts Schlechtes lehren, du Racker. Nun sehe einmal einer, wie er wieder kriecht!« Hier schlug er ihn wieder mit der Peitsche und sagte dabei: »Du Kanaille! Du verfluchter Bonaparte! …« Dann rief er allen zu: »He, ihr, meine lieben Tierchen!« und führte einen Peitschenhieb, der sie alle drei traf, nicht zur Bestrafung, sondern um ihnen zu zeigen, daß er mit ihnen zufrieden sei. Nachdem er ihnen dieses Vergnügen gemacht hatte, richtete er seine Ansprache wieder an den Schecken: »Du denkst wohl, daß man es nicht merkt, wie du dich benimmst. Nein, lebe ehrlich, wenn du willst, daß man dir Achtung erweist. Da bei dem Gutsbesitzer, wo wir waren, das sind gute Menschen. Wenn einer ein guter Mensch ist, rede ich mit Vergnügen ein bißchen mit ihm; mit einem guten Menschen bin ich immer bald gut Freund; ob es Tee zu trinken gibt oder etwas zu essen, das tue ich gern, wenn einer ein guter Mensch ist. Einem guten Menschen erweist jeder Achtung. Da sieh mal unsern Herrn an, den achtet jeder, weil er dem Kaiser gedient hat, hörst du wohl, und Kollegienrat ist …«
    Bei derartigen Überlegungen gelangte Selifan schließlich zu den entlegensten Abstraktionen. Hätte Tschitschikow danach hingehört, so würde er viele auf ihn persönlich bezügliche Einzelheiten erfahren haben; aber seine Gedanken waren dermaßen

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