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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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Witwe, der bekümmerten Waise die rettende Hand reichte! …« Hier wischte er sich sogar mit dem Taschentuche eine herunterrollende Träne weg.
    Manilow war ganz gerührt. Die beiden Freunde drückten einander lange die Hand und sahen einander lange schweigend in die Augen, in denen hervorquellende Tränen sichtbar waren. Manilow wollte die Hand unseres Helden gar nicht loslassen und fuhr fort, sie so warm zu drücken, daß dieser nicht mehr wußte, wie er sie losbekommen könnte. Endlich zog er sie sachte heraus und sagte, es wäre gut, den Kaufvertrag möglichst bald fertigzustellen, und es wäre zweckmäßig, wenn er, Manilow, selbst dazu nach der Stadt käme. Dann nahm er seinen Hut und begann sich zu empfehlen.
    »Wie? Sie wollen schon fort?« sagte Manilow, der auf einmal zu sich kam und beinah erschrak. In diesem Augenblicke trat Frau Manilowa in das Arbeitszimmer.
    »Lisanka«, sagte Manilow mit etwas kläglicher Miene, »Pawel Iwanowitsch verläßt uns!«
    »Wir sind ihm gewiß langweilig geworden«, antwortete Frau Manilowa.
    »Gnädige Frau! Hier«, sagte Tschitschikow, »sehen Sie, hier« – er legte die Hand aufs Herz –, »ja hier wird allezeit die Erinnerung an die angenehme Zeit leben, die ich mit Ihnen verlebt habe! Und glauben Sie mir: es würde für mich keine größere Seligkeit geben, als mit Ihnen zusammen zu leben, wenn nicht in demselben Hause, so doch wenigstens in nächster Nähe!«
    »Und wissen Sie, Pawel Iwanowitsch«, sagte Manilow, dem dieser Gedanke sehr gefiel, »wie schön würde es in der Tat sein, wenn wir so zusammen lebten und unter einem Dache oder im Schatten einer Ulme über irgend etwas philosophierten und uns in unsere Gedanken vertieften! …«
    »Oh, das wäre ein paradiesisches Leben!« rief Tschitschikow mit einem Seufzer. »Leben Sie wohl, gnädige Frau!« fuhr er fort und trat zu ihr, um ihr die Hand zu küssen. »Leben Sie wohl, hochverehrter Freund! Vergessen Sie meine Bitte nicht!«
    »Oh, seien Sie ganz sicher!« antwortete Manilow. »Ich trenne mich von Ihnen nicht länger als auf zwei Tage.«
    Alle gingen in das Eßzimmer.
    »Lebt wohl, ihr lieben Kleinen!« sagte Tschitschikow, als er Alkid und Themistoklus erblickte, die mit einem hölzernen Husaren spielten, der keine Arme und keine Nase mehr hatte. »Lebt wohl, meine Jüngelchen! Ihr seid mir doch nicht böse, daß ich euch nichts mitgebracht habe, da ich, offen gestanden, nicht einmal wußte, daß ihr auf der Welt wart; aber wenn ich jetzt einmal wiederkomme, werde ich euch ganz bestimmt etwas mitbringen. Dir werde ich einen Säbel mitbringen. Möchtest du einen Säbel haben?«
    »Ja«, antwortete Themistoklus.
    »Und dir eine Trommel; nicht wahr, dir eine Trommel«, fuhr Tschitschikow fort, sich zu Alkid hinabbeugend.
    »Eine Dommel«, antwortete Alkid flüsternd und mit gesenktem Kopfe.
    »Schön, ich werde dir eine Trommel mitbringen, eine prächtige Trommel! Die wird immer Bumburumburumbumbum machen. Lebewohl, mein Herzchen! Lebewohl!« Er küßte ihn auf den Kopf und wandte sich zu Manilow und seiner Gattin mit jenem kurzen Lachen, mit dem man sich gewöhnlich an die Eltern wendet, um ihnen zu verstehen zu geben, wie harmlos die Wünsche ihrer Kinder sind.
    »Wirklich, Sie sollten noch hierbleiben, Pawel Iwanowitsch!« sagte Manilow, als sie alle schon auf die Freitreppe hinausgegangen waren. »Sehen Sie nur, was da für Gewitterwolken aufsteigen!«
    »Es sind nur unbedeutende Wölkchen«, erwiderte Tschitschikow.
    »Kennen Sie denn auch den Weg zu Sobakewitsch?«
    »Danach wollte ich Sie eben fragen.«
    »Erlauben Sie, ich werde es gleich Ihrem Kutscher auseinandersetzen.« Und nun setzte Manilow mit der gleichen Liebenswürdigkeit dem Kutscher die Sache auseinander und sagte dabei sogar einmal »Sie« zu ihm.
    Der Kutscher hörte sich an, daß er zwei abzweigende Wege unbeachtet lassen und in den dritten einbiegen müsse, sagte: »Nun werden wir schon hinfinden, Euer Wohlgeboren«, und Tschitschikow fuhr ab, noch lange begleitet von den Verbeugungen seiner Wirte, die sich schließlich auf die Fußspitzen stellten und mit den Taschentüchern wehten.
    Manilow stand noch lange auf der Freitreppe, mit den Augen die sich entfernende Britschke begleitend, und als sie schon gar nicht mehr zu sehen war, stand er immer noch da und rauchte seine Pfeife. Endlich ging er in sein Zimmer, setzte sich auf einen Stuhl und überließ sich seinen Gedanken, im Herzen froh darüber, daß er seinem Gaste hatte eine

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