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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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so könnten wir in Gottes Namen zur Ausfertigung des Kaufkontraktes schreiten«, sagte Tschitschikow.
    »Wie? Eines Kaufkontraktes über tote Seelen?«
    »O nein!« versetzte Tschitschikow. »Wir wollen schreiben, daß sie leben, so wie es tatsächlich in der Revisionsliste steht. Es ist mein Grundsatz, in keinem Punkte von den bürgerlichen Gesetzen abzuweichen, wiewohl ich dafür während meiner Dienstzeit viel zu dulden gehabt habe; aber verzeihen Sie: die Pflicht ist für mich etwas Heiliges, und das Gesetz – vor dem Gesetze verstumme ich.«
    Die letzten Worte gefielen Manilow; aber aus dem Geschäfte selbst konnte er trotzdem noch nicht klug werden, und statt zu antworten begann er so stark an seiner Pfeife zu ziehen, daß diese schließlich wie ein Fagott zu schnarchen anfing. Es schien, als wollte er aus ihr eine Meinung über eine so unerhörte Sache herausziehen; aber die Pfeife schnarchte nur, weiter nichts.
    »Vielleicht haben Sie irgendwelche Bedenken?«
    »Oh, ich bitte Sie, durchaus nicht! Es kommt mir nicht in den Sinn, Ihren Vorschlag irgendwie zu kritisieren oder zu tadeln. Aber gestatten Sie mir die Bemerkung: wird dieses Unternehmen oder, um mich sozusagen besser auszudrücken, diese Transaktion … wird diese Transaktion auch nicht den staatlichen Bestimmungen und den weiteren Zielen Rußlands zuwiderlaufen?«
    Hier machte Manilow eine gewisse Bewegung mit dem Kopfe, sah seinem Gaste sehr bedeutsam ins Gesicht und zeigte in allen seinen Gesichtszügen, namentlich auch in den zusammengepreßten Lippen einen so tiefsinnigen Ausdruck, wie er vielleicht noch nie auf einem Menschengesichte zu sehen gewesen war, ausgenommen etwa nur bei einem besonders klugen Minister, und zwar im Augenblick des Nachdenkens über eine äußerst diffizile Angelegenheit.
    Aber Tschitschikow erwiderte einfach, ein solches Unternehmen oder eine solche Transaktion werde in keiner Weise den staatlichen Bestimmungen und den weiteren Zielen Rußlands zuwiderlaufen, und fügte einen Augenblick darauf noch hinzu, daß der Fiskus dabei sogar Vorteil habe, da er die gesetzlichen Gebühren erhalte.
    »Also Sie meinen? …«
    »Ich meine, daß die Sache korrekt sein wird.«
    »Nun, wenn sie korrekt ist, dann ist es etwas anderes; dann habe ich nichts dagegen«, sagte Manilow und fühlte sich nun völlig beruhigt.
    »Jetzt bleibt noch übrig, daß wir uns über den Preis einigen …«
    »Wieso über den Preis?« fragte Manilow wieder befremdet. »Meinen Sie wirklich, daß ich Geld für Seelen nehmen werden, die gewissermaßen ihr Dasein beendet haben? Wenn nun einmal ein solcher sozusagen phantastischer Wunsch bei Ihnen rege geworden ist, so werde ich meinerseits sie Ihnen unentgeltlich geben und auch die Gebühren für den Kaufvertrag auf mich nehmen.«
    Der Erzähler der vorliegenden Begebenheiten würde den größten Vorwurf verdienen, wenn er es unterließe zu sagen, daß nach diesen von Manilow gesprochenen Worten die Freude den Gast geradezu überwältigte. Wie gesetzt und vernünftig er auch sonst war, so machte er in diesem Augenblicke doch beinahe einen Bocksprung, was man bekanntlich nur beim stärksten Freudenausbruche tut. Er drehte sich so heftig auf dem Lehnsessel hin und her, daß der Wollstoff, mit dem der Sitz bezogen war, einen Riß bekam; selbst Manilow sah ihn ganz erstaunt an. Von Erkenntlichkeit durchdrungen, überschüttete Tschitschikow seinen Wirt mit so vielen Äußerungen der Dankbarkeit, daß dieser verlegen wurde, errötete, ablehnend den Kopf schüttelte und schließlich sich dahin äußerte, dies sei ja ein reines Nichts; er würde ihm wirklich gern durch irgendetwas seine herzliche Zuneigung, seinen Seelenmagnetismus beweisen; aber tote Seelen seien gewissermaßen eine reine Lappalie.
    »Durchaus keine Lappalie«, versetzte Tschitschikow und drückte ihm die Hand.
    Hier stieß er einen sehr tiefen Seufzer aus. Er schien in der richtigen Stimmung für Herzensergüsse zu sein; nicht ohne tiefe, warme Empfindung sprach er schließlich die folgenden Worte: »Wenn Sie wüßten, welchen Dienst Sie mit dieser scheinbaren Lappalie einem Menschen von geringer Herkunft erwiesen haben! Und in der Tat, was habe ich nicht alles zu dulden gehabt? Wie ein Kahn mitten in den wütenden Wogen … Was für Verfolgungen, was für Bedrückungen habe ich nicht durchgemacht, wieviel Leid habe ich nicht gekostet! Und wofür? Weil ich die Wahrheit hochhielt, weil ich mir ein reines Gewissen bewahrte, weil ich der hilflosen

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