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Die Toten von Bansin

Die Toten von Bansin

Titel: Die Toten von Bansin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pupke
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leuchtet strahlend blau in der Wintersonne. Der auflandige Wind hat die Eisschollen auf den Strand gedrückt, wo sie sich jetzt türmen und die Kinder zum Klettern einladen. Zu den kreischenden Möwen und den Nebelkrähen am Strand haben sich Schwäne gesellt. Sie stehen in Ufernähe und sind so zahm, oder so hungrig, dass sie den Spaziergängern aus der Hand fressen.
    Im Kehr wieder zündet Sophie das vierte Licht am Adventsgesteck an. Dann setzt sie sich zu ihren Freunden an den Stammtisch. Anne verteilt Stollen, Berta gießt Kaffee ein. Neben ihr sitzt Inka, immer noch ein bisschen blass, aber sichtlich ruhiger und entspannter als in den letzten Wochen. Paul Plötz hat sich erfolgreich vor den letzten Weihnachtseinkäufen mit seiner Frau gedrückt und wirkt ganz fremd in seiner sonntäglichen Kleidung. Frank Sonnenberg kommt als Letzter in die Gaststätte, bleibt etwas verlegen neben dem Tisch stehen und fragt ungewohnt schüchtern: »Habt ihr noch einen Platz für mich?«
    Arno legt seinen Arm besitzergreifend um Sophies Schultern, rückt aber bereitwillig etwas beiseite, damit noch ein Stuhl an den runden Tisch passt.
    Fast wäre weihnachtliche Stimmung aufgekommen, aber dann spricht Plötz als Erster über die Ereignisse, an die sie alle denken.
    Â»Ich kann das immer noch nicht glauben«, gibt er zu, »ich hab überhaupt nichts gemerkt. Ich hab die Frau wirklich gemocht, dabei muss die völlig irre gewesen sein.« Er schüttelt den Kopf.
    Â»Ich denke immer noch, wir hätten eher auf Tante Berta hören müssen«, sagt Sophie leise. »Vielleicht hätte die Polizei auch schneller etwas herausgefunden, wenn wir unseren Verdacht gemeldet hätten.«
    Â»Nein, das glaube ich nicht. Ich bin ja auch nicht darauf gekommen, obwohl ich von dem ertrunkenen Jungen wusste und alle kannte. Und ich war jeden Tag mit der Frau zusammen und habe nichts bemerkt. Bei aller Verrücktheit war die unheimlich raffiniert«, meint Berta.
    Â»Hast du den Anschlag auf Arno denn nun eigentlich der Polizei gemeldet?«
    Â»Nein.« Die alte Frau blickt ihre Nichte unschuldig an. »Ich dachte mir, das muss er selbst machen, ich wollte mich nicht in seine persönlichen Angelegenheiten mischen.«
    Â»Natürlich«, spottet Sophie »das ist ja auch gar nicht deine Art. Und du hast auch nicht etwa befürchtet, dass du Plötz damit Ärger bereiten könntest, oder?«
    Â»Wisst ihr denn, wie sie das alles angestellt hat? Und warum überhaupt?«, fragt Frank.
    Berta nickt. »Hauptkommissar Schneider aus Anklam hat es mir gesagt. Er war wirklich nett. Na ja, ohne uns hätten sie den Fall wohl auch nicht so schnell aufgeklärt.«
    Einiges von dem, was Berta erzählt, ist auch für Sophie, Anne und Arno neu.
    Der kleine Junge, der vor fast zehn Jahren in der Ostsee ertrunken ist, war tatsächlich Steffis Enkel. Sie hatte der Familie ihres Sohnes die Reise nach Bansin zu Weihnachten geschenkt. Eigentlich wollte sie selbst auch mitfahren, aber dann war sie beruflich verhindert und musste kurzfristig absagen. Deshalb machte sie sich Vorwürfe. Der Polizeipsychologe vermutet, sie meinte, wenn sie da gewesen wäre, hätte sie auf den Jungen aufpassen können und es wäre nichts passiert.
    Der Kleine war fünf Jahre alt und sein Bruder zwölf. Eine ganz normale, nette Familie, der Mann hat gearbeitet, als Bauarbeiter, die Frau war Erzieherin. Sie hatten sich sehr auf die Reise gefreut, die Kinder hatten noch nie zuvor das Meer gesehen und waren schon Wochen vorher total aufgeregt.
    Und als sie dann aus diesem Urlaub zurückkehrten, war alles anders. Schon, dass sie ohne den Kleinen zurückkamen, war natürlich ganz furchtbar. Aber die Familie hat sich von dem Unglück nie wieder erholt. Die Eltern sind mit den Schuldgefühlen überhaupt nicht klargekommen, haben nur noch gestritten und irgendwann gar nicht mehr miteinander gesprochen. Den älteren Sohn haben sie dabei völlig vergessen, sich kaum noch um ihn gekümmert, geschweige denn mit ihm über das Unglück gesprochen. Er hätte dringend eine Therapie gebraucht. Schließlich war er mit dem Kleinen zusammen am Strand und ist weggegangen. Auch er hat sich eingeredet, er hätte seinen kleinen Bruder im Stich gelassen.
    Ungefähr ein Jahr später hat die Mutter sich das Leben genommen und der Vater unmittelbar darauf angefangen zu trinken.

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