Die Toten von Bansin
Tag sein«, fügt sie schnell hinzu.
Der weiÃhaarige Mann, der bisher schweigend in der Ecke gesessen hat, drückt seine Zigarette in einer Konservendose aus und räuspert sich. »Habt ihr von Töpfer gehört?« Als ihn alle fragend ansehen, fährt er fort. »Der ist gestern Nacht vom Zug überfahren worden. An dem unbeschrankten Bahnübergang, da bei Damerow. Hat mit seinem Auto direkt auf den Schienen gestanden.«
»Schon wieder?« Plötz setzt die Flasche ab und sieht Berta fragend an. »Ist da nicht erst letztes Jahr ein altes Ehepaar vom Zug angefahren worden?«
»Ja, stimmt, da war schon öfter mal was. Ich glaube, was du meinst, ist schon zwei Jahre her. Trotzdem â allmählich sollten sie sich da mal etwas einfallen lassen. Das ist wirklich eine gefährliche Stelle.«
Die Frau überlegt. »Was mag Töpfer da gewollt haben? Da kommt man doch nur zum Niemeyer-Holstein-Museum und zu dem Hotel.«
Der WeiÃhaarige zuckt mit den Schultern. »Fragen kann man Töpfer nicht mehr. Jedenfalls wird er nicht antworten.«
Einen Moment herrscht Schweigen. Alle versuchen, sich an Gerd Töpfer zu erinnern. Jeder von ihnen kannte den Mann, aber niemand kann sich so richtig an sein Gesicht erinnern.
»War er nicht Chef vom Aldi?«, überlegt Plötz. »Da ist er jedenfalls immer wichtigtuerisch rumgelaufen. Vor der Wende war er in dem Elektroladen, da an der Ecke. Da hat er wohl auch gelernt. War ein hässlicher, pickliger Bengel, kam mir immer so schleimig vor. Ich mochte ihn nicht.«
»Er soll ja auch bei der Stasi gewesen sein«, mischt sich ein junger Mann ein, der mit einer Bierflasche in der Hand in der jetzt offenen Tür lümmelt.
»Und woher weiÃt du das?«, fährt Plötz ihn an. »Da hast du doch noch als Quark im Schaufenster gelegen.«
»Mein Vater hat gesagt â¦Â«
»Dein Vater sagt viel, wenn der Tag lang ist«, knurrt der Fischer, »ich kannâs nicht mehr hören.«
»Hatte er eigentlich Kinder?«, fragt Berta.
»Ach wo.« Der WeiÃhaarige schüttelt den Kopf. »Der hat erst spät geheiratet. Seine Frau ist auch komisch, die passt zu ihm, na ja, hat gepasst. Ich bin mit ihm zur Schule gegangen. Den mochte eigentlich keiner so richtig, die Mädchen schon gar nicht. War immer so ein Weichei und Wichtigtuer. Stasi würde zu ihm passen. Aber ich weià das nicht«, fügt er schnell hinzu, nach einem vorsichtigen Blick zum Gastgeber.
Der junge Mann im Jeansanzug, der immer noch in der Tür steht, wagt es wieder, sich einzumischen. »Einen tollen Schlitten ist er gefahren. So einen richtig schicken Mercedes mit allem Drum und Dran.«
»Na, der ist jetzt jedenfalls im Arsch«, vermutet der WeiÃhaarige zufrieden.
»Stimmt.« Plötz erinnert sich. »Der ist ja sogar auf die Promenade gefahren damit, frei nach dem Motto: Für Mercedesfahrer gelten Verkehrsschilder nicht.«
Der Mann in der Tür tritt beiseite, als eine Frau hinter ihm auftaucht. »Moin!«, ruft sie munter in die Hütte und strahlt über das ganze runde Gesicht.
»Guten Tag heiÃt das«, knurrt Plötz, »wir sind hier nicht im Westen.«
»Na, dann: Guten Tag!« Scheinbar unbeeindruckt von der schroffen BegrüÃung lächelt sie freundlich und tritt noch einen Schritt näher. »Darf ich?«
Niemand reagiert, alle mustern die Fremde nur misstrauisch. Wie Berta trägt auch sie trotz eines beträchtlichen Leibesumfangs Jeans. Allerdings ist sie mindestens einen Kopf gröÃer und hat ihre Haare blond gefärbt. Das blasse, gepflegte Gesicht verrät den Stadtbewohner, auch der viele Schmuck, den sie trägt.
»Haben Sie auch Räucherfisch?«
»In einer halben Stunde macht der Kiosk auf.« Plötz zeigt mit der Bierflasche die ungefähre Richtung.
»Gut. Kann ich hier warten?« Als niemand antwortet, tritt sie einen Schritt zurück in Richtung Tür. »Na ja, ich kann ja auch drauÃen â¦Â«
Berta räuspert sich. »Nun kommen Sie schon rein.« Sie sieht Plötz missbilligend an. »Wollen Sie ein Bier?«
Die Angesprochene nickt strahlend. »Wissen Sie, ich war noch nie in so einer Fischerhütte. Ãberhaupt noch nie an der Ostsee. Der Fisch schmeckt ganz anders als bei uns. Und wie das riecht! Toll! Sind Sie von hier?«
âºWas für eine blöde Frageâ¹, denkt Berta,
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