Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
Vom Netzwerk:
mit auf die Burg nehmen, wo er bleiben musste, weil er während der Assise dort gebraucht wurde. Immer wieder sprach er vom König; sie verstand ihn kaum.
    »Es tut mir leid«, sagte sie, »aber ich muss hierbleiben. Der Fluss ist es, verstehst du. Der Fluss holt sie sich.«
    »Wie kann der Fluss sich denn Kinder holen?« Er sprach sanft, hielt sie für wahnsinnig, was sie natürlich auch war.
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte sie, »und ich muss hierbleiben, bis ich es verstehe.«
    Er bedrängte sie. Sie liebte ihn, aber nicht genug, um mit ihm zu kommen. Sie wurde von einer anderen gebieterischen Liebe geleitet.
    »Ich komme wieder«, sagte er schließlich.
    Sie nickte, merkte kaum, dass er fort war.
    Es war ein schöner Tag, sonnig und warm. Einige der Leute auf den vorbeigleitenden Booten, die wussten, was geschehen war, riefen der Frau, die da auf einem umgedrehten Eimer mit einemHund neben sich am Ufer saß, Ermutigungen zu. »Keine Bange, Schätzchen. Vielleicht spielt er ja bloß irgendwo. Der kommt schon wieder.« Andere wandten die Augen von ihr ab und blieben stumm.
    Auch das sah und hörte sie nicht. Was sie sah, war Ulfs nackter kleiner Körper, wie er sich in Gylthas Händen wehrte, als sie ihn über den Badebottich hielt, um ihn ins Wasser plumpsen zu lassen.
    Der Fluss ist es.
    Sie hatte ihren Entschluss gefasst, als Schwester Veronica und Schwester Walburga am späten Nachmittag auf einem Stechkahn vorbeikamen. Walburga sah sie und stakte ans Ufer. »Bitte Mistress, macht uns jetzt keine Vorhaltungen. Von den Vorräten, die der Prior den Fluss raufgeschickt hat, könnte nicht einmal ein Kätzchen satt werden, und wir müssen noch mehr hinbringen. Aber wir sind wieder richtig bei Kräften, nicht wahr, Schwester? Gestärkt durch die Kraft Gottes.«
    Schwester Veronica war besorgt. »Was habt Ihr, Mistress? Ihr seht erschöpft aus.«
    »Kein Wunder«, sagte Walburga. »Sie hat sich bei unserer Pflege aufgerieben. Ein wahrer Engel, das ist sie, Gott segne sie.«
Der Fluss ist es.
    Adelia stand von ihrem Eimer auf. »Ich komme mit Euch, wenn ich darf.«
    Erfreut halfen sie ihr in den Kahn und ließen sie auf der Ruderbank im Heck sitzen, die Knie unters Kinn gezogen, die Füße auf einer Kiste mit Hühnern. Sie lachten, als sich Aufpasser – »der alte Stinker«, nannten sie ihn – verdrossen in Bewegung setzte, um ihnen auf dem Treidelpfad zu folgen.
    Priorin Joan, so sagten sie, erzählte aller Welt, dass die Ehre des Kleinen St. Peter wiederhergestellt sei, denn wann waren schon mal so viele so krank gewesen und nur zwei gestorben, einenoch dazu recht alt? Der Heilige war auf die Probe gestellt worden und hatte sich als verlässlich erwiesen.
    Die beiden Nonnen wechselten sich mit einer Häufigkeit beim Staken ab, die verriet, dass sie noch nicht ganz wieder bei Kräften waren, aber sie spielten das herunter. »Gestern war es anstrengender«, sagte Walburga. »Da waren wir mit zwei Kähnen unterwegs. Aber die Kraft Gottes ist mit uns.« Sie hielt jeweils länger durch, ehe sie sich ausruhen musste. Dafür war Veronica geschickter und geschmeidiger in ihren Bewegungen, und sie gab ein anmutigeres Bild ab, wenn ihre schlanken Arme gegen die Stange drückten und sie wieder hoben, ohne dabei das Wasser aufzuwühlen, das im Licht der untergehenden Sonne bernsteinfarben glänzte.
    Trumpington glitt vorbei. Grantchester …
    Sie erreichten den Teil des Flusses, den Adelia an dem Tag mit Mansur und Ulf nicht erkundet hatte. Hier teilte er sich, wurde zu zwei Flüssen, die Cam aus dem Süden, der andere aus östlicher Richtung.
    Der Kahn bog nach Osten. Walburga, die gerade mit Staken an der Reihe war, beantwortete Adelias Frage – die erste, die sie überhaupt gestellt hatte. »Dieser Fluss? Das ist die Granta. Hier geht’s zu den Einsiedlerklausen.«
    »Und zu deiner Tante«, sagte Veronica lächelnd. »Hier geht’s auch zu deiner Tante.«
    Walburga grinste. »Auch das. Die wird staunen, dass sie mich gleich zweimal in einer Woche zu Gesicht bekommt.«
    Die Landschaft veränderte sich mit dem Fluss, erinnerte jetzt eher an ein flaches Hochland, wo Schilf und Erlen allmählich von Gras und höheren Bäumen verdrängt wurden. Im Dämmerlicht sah Adelia nun weniger Deiche und mehr Hecken und Zäune. Der Mond, der eine dünne, runde Oblate am Abendhimmel gewesen war, nahm jetzt kräftigere Gestalt an.
    Aufpasser begann zu humpeln, und Veronica schlug vor, ihn in den Kahn zu holen, das arme Tier. Nachdem die

Weitere Kostenlose Bücher