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Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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barbarischen Mönchen, die das Kloster erbaut haben, aber wenn ich dort bin, spüre ich stets eher die Anwesenheit eines gehörnten Wesens denn Heiligkeit, und diesmal meine ich nicht Priorin Joan. Allein schon die Anordnung dieser Zellen …« Er verzog das Gesicht. »Ich lasse Euch nur ungern hier – noch dazu mit so wenig Hilfe.«
    »Ich habe Gyltha und die Matildas«, erwiderte Adelia. »Und natürlich den Aufpasser.«
    »Gyltha ist bei Euch? Wieso habe ich sie nicht gesehen? Dann besteht kein Grund zur Sorge; diese Frau schlägt die Kräfte der Finsternis im Alleingang zurück.«
    Er gab ihr seinen Segen. Der Reitknecht nahm das Kästchen mit dem geweihten Öl in Empfang und steckte es in eine Satteltasche, dann half er ihm aufs Pferd, und sie ritten davon.
    Es hatte aufgehört zu regnen, doch der Mond, der jetzt voll sein musste, war hinter dichten Wolken verborgen. Adelia blieb noch eine Weile stehen, nachdem die beiden Reiter verschwunden waren, und lauschte dem Hufgetrappel, das sich in der Finsternis verlor.
    Sie hatte dem Prior verschwiegen, dass Gyltha nicht über Nacht blieb und dass sie sich vor allem nachts fürchtete. »Heidnisch«, sagte sie laut. »Selbst der Prior spürt es.« Sie ging zurück zum Kreuzgang, ließ das Tor jedoch offen. Nicht etwas,was außerhalb des Klosters war, jagte ihr Angst ein, es war das Kloster selbst. Hier war keine Luft, nichts von Gottes Licht, selbst die Kapelle hatte keine Fenster, nur schmale Schießscharten in den dicken, schmucklosen Steinmauern, die die Grausamkeit widerspiegelten, zu deren Abwehr sie erbaut worden waren.
    Aber die Grausamkeit war eingedrungen, dachte Adelia. In das schreckliche alte Steingrab in der Kapelle waren Wölfe und Drachen gemeißelt, die sich zwischen einem Gewirr von männlichen Gestalten gegenseitig zerfleischten. Die verschnörkelte Umrandung am Altar umgab eine Figur mit hochgereckten Armen, vielleicht Lazarus, doch das Kerzenlicht verlieh ihr etwas Dämonisches. Die Blattverzierungen um die Bogeneingänge der Zellen ließen den vorrückenden Wald erahnen, der Arme aus Efeu und Kriechpflanzen miteinander verschlang.
    Adelia, die nicht an den Teufel glaubte, ertappte sich dabei, dass sie nachts, wenn sie an der Pritsche einer Nonne saß, auf ihn lauschte und den Schrei einer Nachteule als Antwort nahm. Für sie ebenso wie für Prior Geoffrey waren die zwanzig gähnenden Löcher, zehn unten, zehn oben, in denen die Nonnen hausten, ein Monument der Barbarei. Wenn sie zu einer anderen Zelle gerufen wurde, musste sie sich zwingen, über die tückische, dunkle Treppe und den schmalen Sims zu gehen, der dorthin führte.
    Tagsüber, wenn Gyltha und die Matildas wiederkamen und Trubel und gesunden Menschenverstand mit sich brachten, gönnte sie sich ein paar Stunden Ruhe in den Räumen der Priorin, doch selbst dann drängten sich die beiden Zellenreihen vorwurfsvoll in ihren Schlaf der Erschöpfung, wie die Gräber toter Höhlenbewohner.
    Als sie nun dem Kreuzgang folgte, um nach Schwester Veronica zu sehen, erweckte das flackernde Licht ihrer Laterne die hässlichenKöpfe der Säulenkapitelle zum Leben. Sie schnitten Fratzen, und Adelia war froh, dass der Hund an ihrer Seite war.
    Veronica warf sich auf ihrer Pritsche hin und her, entschuldigte sich bei Gott dafür, dass sie nicht starb. »Vergib mir, Herr, dass ich nicht bei Dir bin. Gütiger Meister, zürne nicht ob meiner Missetaten, denn ich würde zu Dir kommen, wenn ich könnte …«
    »Unsinn«, wies Adelia sie zurecht, »Gott ist ganz zufrieden mit Euch, und Er will, dass Ihr lebt. Öffnet den Mund und esst ein bisschen feine Kalbsfußsülze.«
    Doch wie Odilia wollte auch Veronica nicht essen. Schließlich gab ihr Adelia eine halbe Opiumpille und wartete ab, bis sie wirkte. Die Zelle war von den zwanzig die kargste, nur geschmückt mit einem Kreuz, das wie alle Wandkruzifixe der Nonnen aus Weidenruten geflochten war.
    Irgendwo draußen im Marschland schlug eine Rohrdommel. Im Kreuzgang tropfte Wasser mit einer Regelmäßigkeit, die Adelias Nerven strapazierte, auf die Steine. Sie hörte Würgen aus Schwester Agathas Zelle und eilte zu ihr.
    Den Nachttopf zu leeren bedeutete, den Kreuzgang verlassen zu müssen. Als sie zurückkam, ließ ein Riss in den Wolken etwas Mondlicht hindurch, und Adelia sah die Gestalt eines Mannes neben einer Säule.
    Sie schloss die Augen, öffnete sie dann wieder und ging weiter. Es war nur ein täuschender Schatten gewesen, das Glänzen des Regens. Da

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