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Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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geht und vorausgesetzt, dass sie ihn mag.«
    »Gyltha«, sagte Sir Rowley aufrichtig. »Wenn ich mich nicht plötzlich so verdammt krank fühlen würde, würde ich
dich
fragen, ob du mich heiraten willst.«

    Als sie die Brücke überquert und die Weiden am Ufer hinter sich gelassen hatten, sahen sie die Menschenmenge vor dem Klostertor. »Ach je«, sagte Adelia, »es hat sich rumgesprochen.« Agnes und ihre kleine Hütte waren da, das konnte nur Mord und Totschlag bedeuten.
    Wie nicht anders zu erwarten, dachte sie. Der Zorn der Stadt hatte ein anderes Ziel gefunden, und der Mob rottete sich jetzt gegen die Nonnen zusammen, so wie zuvor gegen die Juden. Aber es war kein Mob. Die Menge war recht genug, hauptsächlich Handwerker und Markthändler, und es war auch Zorn spürbar, aber er war unterdrückt und durchmischt mit … ja mit was? Erregung? Sie konnte es nicht benennen.
    Warum waren diese Menschen nicht aufgebrachter, so wie siees gegen die Juden gewesen waren? Vielleicht schämten sie sich. Es hatte sich herausgestellt, dass die Mörder keiner verachteten Minderheit angehörten, sondern zwei von ihnen waren, einer geachtet, die andere eine vertraute, freundliche Gestalt, der sie fast täglich zugewinkt hatten. Zugegeben, die Nonne war fortgeschafft worden, sie konnten sie nicht mehr lynchen, aber sie machten bestimmt Priorin Joan wegen ihrer Nachlässigkeit Vorwürfe, dass sie einer Verrückten so lange schreckliche Freiheiten gelassen hatte.
    Ulf sprach mit Coker dem Dachdecker, dem Adelia den Fuß gerettet hatte. Die beiden unterhielten sich in dem Dialekt der Gegend, den Adelia noch immer nicht verstehen konnte. Der junge Dachdecker, der sie sonst immer freundlich grüßte, wich ihrem Blick aus.
    Und als Ulf zurückkam, wollte auch er sie nicht ansehen. »Geh da nich rein«, sagte er.
    »Ich muss. Walburga ist meine Patientin.«
    »Wie du willst, ich komm jedenfalls nich mit.« Das Gesicht des Jungen war schmal geworden, wie immer, wenn ihn irgendetwas aus der Fassung brachte.
    »Das verstehe ich.« Sie hätte ihn erst gar nicht mitnehmen sollen. Für ihn war das Kloster die Heimat einer Hexe.
    Die kleine Pforte in dem wuchtigen Holztor öffnete sich, und zwei staubige Arbeiter kamen heraus. Adelia sah ihre Chance, sagte rasch: »Verzeihung«, und schob sich hindurch, ehe sie die Pforte wieder schließen konnten. Sie zog sie hinter sich zu.
    Die seltsame Atmosphäre war sofort spürbar und war ebenso auffällig wie die Stille. Irgendwer, vermutlich die Arbeiter, hatte die Kirchentür, die einst die wartenden Pilger eingelassen hatte, damit sie am Reliquiar des Kleinen St. Peter aus Trumpington beten konnten, mit Brettern vernagelt.
    Wie eigenartig, dachte Adelia, dass der vermeintliche Heiligenstatusdes Jungen jetzt dahin war, weil nicht Juden ihn geopfert hatten, sondern Christen.
    Eigenartig war auch, dass die unkrautbewachsene Verwahrlosung, die von einer achtlosen Priorin zugelassen worden war, jetzt auf einmal den Eindruck von Verfall machte.
    Während Adelia den Weg zum Hauptgebäude hinunterging, ertappte sie sich bei dem Gedanken, die Vögel hätten aufgehört zu singen. Das war zwar nicht der Fall, aber – Adelia fröstelte – der Klang hatte sich verändert. So kam es ihr zumindest vor. Der Stall und die Falkenkäfige der Priorin waren leer. Türen zu leeren Pferdeboxen standen offen.
    Im Klostergebäude herrschte Stille. Als Adelia den Kreuzgang erreichte, musste sie sich regelrecht zwingen weiterzugehen. Das für die Jahreszeit ungewohnte Grau des Tages, die Säulen rund um das offene Grasstück waren eine Erinnerung an die Nacht, als sie einen gehörnten und bösartigen Schatten in ihrer Mitte gesehen hatte, wie heraufbeschworen von dem obszönen Begehren der Nonne.
    Um Himmels willen, er ist tot, und sie ist fort. Hier ist nichts. Doch, da war etwas. Eine verschleierte Gestalt betete auf der Südseite des Kreuzgangs, so reglos wie die Steine, auf denen sie kniete.
    »Priorin?«
    Sie bewegte sich nicht. Adelia ging zu ihr und berührte ihren Arm. »Priorin.« Sie half ihr auf.
    Die Frau war über Nacht gealtert, ihr großes, flaches Gesicht tief zerfurcht und zur Fratze verzerrt. Langsam wandte sie den Kopf. »Was?«
    »Ich bin gekommen, um …« Adelia hob die Stimme, es war als spräche sie mit einer Schwerhörigen. »Ich habe Arznei für Schwester Walburga dabei.« Sie musste es wiederholen. Sie glaubte nicht, dass Priorin Joan wusste, wer sie war.
    »Walburga?«
    »Sie war

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