Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
Vom Netzwerk:
ihre halblauten Stimmen waren zu hören.
    Mansur kam allein zurück. Zu dritt setzten sie ihren Weg fort. »Wir schicken ihm einen Topf Schlangenwurz«, sagte Mansur. »Warum?« Und dann, weil alles Normale fast verloren gegangen wäre, musste Adelia grinsen. »Er ist … Mansur, hat er den Tripper?«
    »Andere Ärzte konnten ihm nicht helfen. Der arme Kerl versucht schon seit einigen Tagen, mich zu konsultieren. Er sagt, er hat das Haus des Juden beobachtet und auf meine Rückkehr gewartet.«
    »Ich habe ihn gesehen. Er hat mich zu Tode erschreckt. Der soll seinen Schlangenwurz kriegen, und ich tue ordentlich Pfeffer rein, das wird ihn lehren, an Flussufern rumzulauern. Der und sein Tripper.«
    »Du wirst dich verhalten wie eine Ärztin«, wies Mansur sie zurecht. »Er ist ein leidender Mann, der Angst davor hat, was seine Frau sagen wird, Allah sei ihm gnädig.«
    »Dann hätte er ihr treu bleiben sollen«, sagte Adelia. »Nun, wenn es wirklich Gonorrhö ist, verschwindet es nach einer Weile.« Sie grinste noch immer. »Aber verrat’s ihm nicht.«
    Es war schon heller, als sie sich der Stadt näherten und dieGroße Brücke sehen konnten. Eine Schafherde trabte darüber, auf dem Weg zum Schlachthaus. Ein paar Studenten stolperten nach einer durchzechten Nacht nach Hause.
    Walburga schnaubte und sagte plötzlich fassungslos: »Aber sie war die Beste unter uns, die Frommste. Ich hab sie bewundert, weil sie so gut war.«
    »Sie hat eine Geisteskrankheit«, sagte Adelia. »So etwas ist unbegreiflich.«
    »Woher kommt so was?«
    »Ich weiß es nicht.« Vielleicht war die Krankheit schon immer da gewesen. Unterdrückt. Mit drei Jahren war Veronica zu Keuschheit und Gehorsam verdammt worden. Eine zufällige Begegnung mit einem Mann, der sie überwältigte – Rowley hatte von Rakshasas Anziehungskraft auf Frauen gesprochen.
    »Der Himmel weiß warum; er behandelt sie nicht gut.«
    Hatte die ekstatische Vereinigung der beiden den Irrsinn der Nonne freigesetzt? Vielleicht, vielleicht.
    »Ich weiß es nicht«, wiederholte Adelia. »Atmet ganz flach. Und schön langsam.«
    Ein Reiter trabte heran, als sie den Anfang der Brücke erreichten. Sir Rowley Picot blickte auf Adelia herab. »Bekomme ich eine Erklärung, Mistress?«
    »Ich habe es Prior Geoffrey erklärt. Dein Antrag macht mich dankbar und stolz …« Ach, das war nicht gut. »Rowley, ich würde dich ja heiraten, und sonst keinen, nie,
niemals.
Aber …«
    »Habe ich dich gestern nicht schön gevögelt?«
    Er wählte bewusst ein derbes Wort, und Adelia spürte, wie die Nonne an ihrer Seite zusammenzuckte. »Das hast du«, sagte sie.
    »Ich habe dich befreit. Ich habe dich vor diesem Unhold gerettet.«
    »Auch das hast du.«
    Aber nur das Zusammenspiel der Fähigkeiten, die Simon aus Neapel und sie besaßen, hatte zu der Entdeckung auf dem Wandlebury Hill geführt, auch wenn es ein schwerer Fehler von ihr gewesen war, allein dorthin zu gehen.
    Dieselben Fähigkeiten hatten Ulf gerettet und die Juden befreit. Auch wenn das außer dem König niemand anerkannt hatte, ihre Nachforschungen waren eine raffinierte Mischung aus Logik und kühler Überlegung und … ja, zugegeben, Instinkt gewesen, aber dieser Instinkt gründete auf Wissen. Wahrhaft seltene Fähigkeiten in diesen leichtgläubigen Zeiten, zu selten, um einfach unterzugehen, so wie die von Simon untergegangen waren, zu kostbar, um begraben zu werden, so wie ihre in einer Ehe begraben werden würden.
    Über all das hatte Adelia nachgedacht, und auch wenn es ihr das Herz brach, das Ergebnis war unvermeidlich. Auch wenn sie die Liebe entdeckt hatte, die übrige Welt hatte sich nicht verändert. Nach wie vor würden Leichname ihre Geschichten erzählen. Und sie hatte die Pflicht, ihnen zuzuhören.
    »Ich kann nicht heiraten«, sagte sie, »ich bin eine Ärztin der Toten.«
    »Dann viel Spaß mit ihnen.«
    Er gab seinem Pferd die Sporen und trieb es über die Brücke, ließ sie bekümmert und seltsam aufgebracht zurück. Er hätte sie und Walburga wenigstens nach Hause bringen können.
    »He«, rief sie ihm nach. »Ich nehme an, du schickst Rakshasas Kopf in den Osten zu Hakim.«
    Seine Antwort trieb zu ihr zurück. »Worauf du einen lassen kannst.«
    Er konnte sie noch immer zum Lachen bringen, auch wenn sie weinte. »Gut«, sagte sie.
    An diesem Tag geschah allerlei in Cambridge.
    Die Richter der Assise hielten Gericht über Geldfälscherei, Straßenraufereien, einen erstickten Säugling, Bigamie,

Weitere Kostenlose Bücher