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Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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Landstreitigkeiten, gepanschtes Ale, zu kleine Brotlaibe, angefochtene Testamente, Landstreicherei, Bettelei, Streitereien zwischen Schiffseignern, Handgreiflichkeiten zwischen Nachbarn, Brandstiftung, durchgebrannte Erbinnen, unzüchtige Lehrlinge und sprachen ihr Urteil.
    Gegen Mittag wurden die Verhandlungen unterbrochen. Trommeln dröhnten und Posaunen riefen die Menschen im Burghof zusammen. Ein Herold trat auf die Plattform vor den Richtern und verlas eine Schriftrolle mit so lauter Stimme, dass sie bis hinunter zur Stadt schallte:
    »Es soll bekannt werden, dass vor Gott und zur Zufriedenheit der hier anwesenden Richter der Ritter namens Joscelin von Grantchester des gemeinen Mordes an Peter aus Trumpington, an Harold aus dem Kirchspiel St. Mary, an Mary, der Tochter von Bonning dem Vogelfänger, und an Ulric aus dem Kirchspiel St. John überführt wurde und dass vorgenannter Joscelin von Grantchester bei seiner Ergreifung zu Tode kam, indem er, wie es seinen Untaten gebührt, von Hunden zerrissen wurde. Überdies soll bekannt werden, dass die Juden von Cambridge von diesen Morden und allem Verdacht derselben freigesprochen wurden, so dass sie ungehindert zu ihren rechtmäßigen Häusern und Geschäften zurückkehren dürfen. So verkündet im Namen von Henry, König von England durch Gottes Gnaden.«
    Eine Nonne wurde nicht erwähnt. In dieser Angelegenheit hüllte sich die Kirche in Schweigen. Aber ganz Cambridge war voller Gerüchte, und im Verlauf des Nachmittags riss Agnes, die Frau der Aalhändlers und Mutter von Harold, ihre kleine Bienenkorbhütte ab, in der sie seit dem Tod ihres Sohnes vorden Burgtoren gewacht hatte, schleppte das ganze Zubehör den Hügel hinunter und baute sie vor den Toren des Klosters St. Radegund wieder auf.
    All das geschah vor aller Augen und Ohren.
    Andere Dinge dagegen geschahen heimlich und im Dunkeln, obwohl niemand je erfuhr, wer dahintersteckte. Gewiss, Männer mit hohen Ämtern in der heiligen Kirche trafen sich hinter geschlossenen Türen, wo einer von ihnen mit flehender Stimme sagte: »Wer wird uns von diesem schändlichen Weib befreien?«, genau wie Henry II einmal laut darum geschrien hatte, von dem störenden Becket befreit zu werden.
    Was dann hinter jenen geschlossenen Türen geschah, ist weniger gewiss, denn es wurden keine Anweisungen erteilt, wenngleich es möglicherweise leise Andeutungen gab, so leise, dass niemand je würde sagen können, wer sie gemacht hatte. Vielleicht wurden Wünsche in so byzantinisch geschraubter Form geäußert, dass sie nur von denjenigen enträtselt werden konnten, die den Schlüssel dazu besaßen. All das, vielleicht, damit den Männern – und sie waren keine Kleriker –, die im Schutz der Nacht vom Burgberg hinunter zu St. Radegund ritten, nicht nachgesagt werden konnte, dass sie das, was sie taten, auf irgendjemandes Befehl taten.
    Oder dass sie es überhaupt taten.
    Möglicherweise wusste Agnes Bescheid, aber ihre Lippen blieben versiegelt.
    Diese Dinge, die offensichtlichen und die geheimen, vollzogen sich ohne Adelias Wissen. Auf Gylthas Anordnung hin schlief sie einmal rund um die Uhr. Als sie erwachte, erstreckte sich die Warteschlange von Patienten, die Dr. Mansurs Hilfe suchten, die ganze Jesus Lane hinunter. Sie behandelte die ernstlich Erkrankten und unterbrach dann die Arbeit, um mit Gyltha zu reden.
    »Ich müsste zum Kloster und nach Walburga schauen. Schon längst.«
    »Du bist selbst noch nicht ganz auskuriert.«
    »Gyltha, ich will da nicht hin.«
    »Dann geh nich.«
    »Ich muss aber; noch so eine Attacke verkraftet ihr Herz vielleicht nicht.«
    »Die Klostertore sind geschlossen, und keiner macht auf. Heißt es. Und diese,
diese …«
Gyltha konnte sich noch immer nicht dazu überwinden, ihren Namen auszusprechen. »Sie ist weg. Sagen die Leute.«
    »Weg? So schnell?« Wenn der König etwas befiehlt, gibt es kein Zaudern, dachte sie.
Le Roy le veult.
»Wo hat man sie hingeschickt?«
    Gyltha zuckte die Achseln. »Einfach weg. Sagen die Leute.« Adelia spürte, wie sich Erleichterung bis zu ihren Rippen ausbreitete und sie schon fast wieder heilte. Der Plantagenet hatte die Luft seines Königreichs gesäubert, so dass sie wieder darin atmen konnte.
    Obwohl er dadurch, so dachte sie, gleichzeitig die Luft eines anderen Landes verschmutzt. Was wird dort mit ihr geschehen?
    Adelia versuchte, das Bild zu verdrängen, wie die Nonne sich wand, so wie sie sich auf dem Boden des Refektoriums gewunden hatte, doch diesmal

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