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Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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Kind in Cambridge und die beiden vermissten sollen als Vorwand dienen, um die VertreibungEures Volkes zu verlangen, und jetzt, wo Becket tot ist, werde ich mich dem nicht widersetzen können, denn sonst wird sich Seine Heiligkeit dazu überreden lassen, mich zu exkommunizieren und über mein gesamtes Königreich das Interdikt zu verhängen. Versteht Ihr, was ein Interdikt bedeutet? Das Königreich wird zurück in die Dunkelheit gestoßen, Neugeborenen wird die Taufe verweigert, es gibt keine kirchlichen Trauungen mehr, die Toten bleiben ohne den Segen der Kirche unbestattet. Und jeder kleine Hosenscheißer kann mein Recht als Herrscher in Frage stellen.«
    Henry stand auf und schritt auf und ab, blieb dann stehen, um die Ecke eines Wandteppichs gerade zu zupfen, die der Wind umgeschlagen hatte. Mit dem Rücken zu Aaron stehend, sagte er: »Bin ich nicht ein guter König, Aaron?«
    »Das seid Ihr, Mylord.« Die richtige Antwort. Und die Wahrheit.
    »Und bin ich nicht gut zu den Juden, Aaron?«
    »Das seid Ihr, Mylord. Wahrlich, das seid Ihr.« Wieder die Wahrheit. Henry besteuerte die Juden, wie ein Bauer seine Kühe molk, und doch war kein anderer Monarch auf Erden ihnen gegenüber gerechter oder sorgte in seinem engen kleinen Königreich für so viel Ordnung, dass die Juden hier sicherer waren als fast in jedem anderen Land der bekannten Welt. Aus Frankreich, Spanien, aus den Kreuzzugsländern, aus Russland kamen sie her, um die Privilegien und die Sicherheit zu genießen, die das England des Plantagenets ihnen bot.
    Wohin könnten wir gehen
, dachte Aaron. Herr, Herr, schicke uns nicht zurück in die Wüste. Wenn wir unser Gelobtes Land nicht mehr haben können, dann lass uns zumindest unter diesem Pharao leben, der uns schützt.
    Henry nickte. »Wucherei ist eine Sünde, Aaron. Die Kirche missbilligt sie, lässt nicht zu, dass Christen ihre Seele damitbeflecken. Überlässt das euch Juden, die ihr keine Seele habt. Das hindert die Kirche natürlich nicht daran, von euch Geld zu leihen. Wie viele ihrer Kathedralen sind eigentlich mit euren Darlehen erbaut worden?«
    »Lincoln, Mylord.« Aaron begann, sie an seinen zitternden, arthritischen Fingern abzuzählen. »Peterborough, St. Albans, dann noch mindestens neun Zisterzienserabteien, des Weiteren …«
    »Ja, ja. Entscheidend ist jedenfalls, dass ein Siebtel meiner jährlichen Einnahmen aus der Besteuerung von euch Juden stammt. Und die Kirche will, dass ich euch loswerde.« Der König stapfte auf und ab, und erneut dröhnten abgehackte angevinische Silben durch die Galerie. »Sorge ich denn nicht dafür, dass dieses Königreich einen nie gekannten Frieden erlebt? Herrgott, was meinen die denn, wie ich das anstelle?«
    Verstörte Schreiber ließen ihre Federn fallen und nickten. Jawohl, Mylord. Das tut Ihr, Mylord.
    »Das tut Ihr, Mylord«, sagte Aaron.
    »Jedenfalls nicht mit Beten und Fasten, so viel steht fest.« Henry hatte sich wieder beruhigt. »Ich brauche Geld, um meine Armee auszurüsten, meine Richter zu bezahlen, die Aufstände auf dem Festland niederzuschlagen und meiner Frau ihre sündhaft teuren Gewohnheiten zu ermöglichen. Frieden ist Geld, Aaron, und Geld ist Frieden.« Er packte den alten Mann vorn an seinem Umhang und zog ihn nah an sich heran.
    »Wer ermordet diese Kinder?«
    »Wir nicht, Mylord. Mylord, wir
wissen
es nicht.«
    Einen kurzen eindringlichen Moment lang spähten fürchterliche blaue Augen mit kurzen, fast unsichtbaren Wimpern in Aarons Seele.
    »Nein, wir wissen es nicht«, sagte der König. Der alte Mann wurde losgelassen, kurz gehalten, als er taumelte, und seinUmhang mit raschen Händen wieder Ordnung gebracht, doch das Gesicht des Königs blieb dicht vor ihm, und seine Stimme war ein zartes Flüstern. »Aber ich denke, wir sollten das besser herausfinden, was? Und zwar schnell.«
    Als der Hofmeister Aaron aus Lincoln zur Treppe geleitete, rief Henry ihm nach: »Ihr Juden würdet mir fehlen, Aaron.«
    Der Alte wandte sich um. Der König lächelte oder zumindest bleckte er seine lückenhaften, starken, kleinen Zähne zu einer Art Lächeln. »Aber bei weitem nicht so sehr, wie ich euch Juden fehlen würde«, sagte er.

    Einige Wochen später in Süditalien …
    … blinzelte Gordinus der Afrikaner seinen Besucher freundlich an und drohte ihm mit dem Finger. Er kannte den Namen; er war mit großem Pomp verkündet worden:
»Aus Palermo, als Vertreter unseres allergütigsten Königs, Seine Lordschaft, Mordecai fil Berachyah
.« Er

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