Rolf Torring 052 ~ An den Ufern des Paraguay
1. Kapitel. Eine merkwürdige Expedition.
„Oh, Herr Torring, ich habe ja gehört, daß Sie so schnell Herrn Elliott und seine Tochter befreit haben, es ist wirklich wunderbar. Aber trotzdem wage ich nicht zu hoffen, daß Sie meinen Mann, der jetzt schon seit einem Jahr verschollen ist, wiederfinden."
Die junge Frau Huerta drückte schluchzend ihre kleine Tochter an sich. Ich betrachtete sie mitfühlend. Hier, in ihrer wunderbaren Villa im schönsten Vorort von Buenos Aires, gab sie sich ganz anders, als auf dem Dampfer „Monte Rosa", auf dem wir während der Überfahrt nach Amerika das wilde Abenteuer mit den Ovambos erlebt hatten. (Siehe voriger Band.)
Hier war sie zu Hause, war fraulicher geworden, auch mochte die Erinnerung an ihren Mann, die durch alle Gegenstände geweckt wurde, ihre bisher gezeigte Energie geschwächt haben.
„Aber, gnädige Frau," sagte Rolf, „ich bitte, mir zu glauben. Schon auf dem Dampfer sagten wir Ihnen, daß wir schon Ehepaare wieder zusammengeführt haben, die noch länger getrennt waren. Vertrauen Sie uns; wir werden alles versuchen, Ihren Herrn Gemahl wiederzufinden. Auf jeden Fall werden wir Ihnen über sein Schicksal Nachricht bringen."
„Ja, das werden Sie," nickte die junge Frau traurig, „über sein Schicksal werden Sie mir Nachricht bringen. Aber darüber wäre ich schon froh, denn die Ungewißheit ist schlimmer als die Nachricht von seinem Tode. Dann wüßte ich doch, daß er ausgelitten hat, aber so träume ich oft davon, daß er elend und verlassen, vielleicht als kläglicher Sklave irgendeines wilden Volkes leben muß."
„Wenn das der Fall sein sollte, dann haben Sie auch die Gewißheit, daß wir ihn befreien werden," sagte Rolf zuversichtlich. „Bitte, erzählen Sie uns jetzt den genauen Verlauf der Expedition."
„Ich habe den Expeditionsleiter, Professor Honda, heute abend zu mir gebeten," sagte Frau Huerta, „vielleicht bringt er noch ein anderes Mitglied der damaligen Expedition, den Ethnographen Perez Vicoras, mit. Diese beiden Herren können Ihnen die beste Auskunft geben, auf welche Weise mein armer Eduardo verschwand. "
„Ich verstehe es wirklich nicht," meinte Rolf kopfschüttelnd. „Gerade bei einer gefährlichen Expedition, wie sie die unternommene ja war, halten doch die Mitglieder sehr zusammen. Das müssen sie ja auch im eigenen Interesse, sonst ist das ganze Unternehmen gefährdet. Es scheint mir also sehr merkwürdig, fast unglaublich, daß die Expedition weitergezogen ist, ohne sich um das Geschick des Verschwundenen zu kümmern. Da muß ein Geheimnis sein, das ich vor allen Dingen lösen will."
„Professor Paolo Honda erklärte mir nach der Rückkehr, daß mein Mann im Gebiet des Gran Chaco, nahe am Fluß Paraguay, nachts verschwunden sei," sagte Frau Huerta. „Er hatte die Wache, doch als Herr Aguara, der Botaniker der Expedition, der ihn ablösen sollte, endlich von selbst aufwachte, war schon eine Stunde über seine Wache verstrichen. Mein Mann war aber spurlos verschwunden. Die Expedition lagerte vier Tage an dieser Stelle, und äußerst sorgsam wurde nach Spuren meines Eduardo gesucht. Doch alles war vergeblich. Selbst die beiden Toba-Indianer Matchu und Huaina, die als Landeskundige engagiert waren, vermochten nichts zu finden. Da blieb den Expeditionsteilnehmern schließlich nichts übrig, als weiterzuziehen."
„Sehr merkwürdig," wiederholte Rolf, „es ist mir bekannt, daß gerade die Toba-Indianer sehr gute Jäger sind, weil sie sich hauptsächlich durch die Jagd und den Fischfang ernähren. Es scheint mir daher verdächtig, daß die beiden Indianer keine Spuren des Verschwundenen gefunden haben wollen. Daher möchte ich behaupten, gnädige Frau, daß Ihr Herr Gemahl mit dem Einverständnis der beiden Indianer verschwunden ist; entweder mit seiner Einwilligung, um vielleicht sehr wichtige Forschungen bei diesen Indianern über ihre Sitten und Gebräuche festzustellen, oder aber unfreiwillig. Im ersteren Falle hätte er Ihnen aber wohl bestimmt eine Nachricht zukommen lassen, also muß unbedingt ein Mann dahinter stecken, der Ihrem Herrn Gemahl ein Leid zufügen wollte. Die Ursache dieses mysteriösen Verschwindens herauszufinden, ist ja eigentlich Detektivsache, für uns bleibt die Hauptarbeit, den Verschwundenen zu finden. Aber es ist möglich, daß wir dabei auch den Urheber dieses Verbrechens finden."
„Ach, Herr Torring," sagte
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