Die Totentänzerin: Ein Fall für Nils Trojan 3 - Psychothriller (German Edition)
machte einfach weiter.
Sie wollte etwas sagen, doch sie war so erschrocken, dass sie keinen Ton herausbekam.
Da spürte sie den Lufthauch.
Hör auf, wollte sie flüstern, aber ihre Kehle war wie zugeschnürt.
Und dann erkannte sie die Hand und den schweren Gegenstand darin.
Schon schnellten Hand und Gegenstand herab.
Sie schrie.
Es gab ein hässliches Geräusch, ein Knacken, ein Bersten, und sie hörte, wie der Mann über ihr aufstöhnte, es war ein anderes Stöhnen als zuvor, endgültig, dumpf, und es traf sie bis ins Mark. Da sackte er auf ihr zusammen und rührte sich nicht mehr.
Mit den Fingerspitzen betastete sie seinen Hinterkopf, aber der war feucht und klebrig, und wieder schrie sie.
Sie zog die Finger weg. Es gab keinen Zweifel: Der Mann über ihr war tot. Und da stand jemand am Bett und starrte auf sie herab.
Sie schrie weiter. Noch nie hatte sie sich selbst so schreien hören.
Und dann erstarb auch ihre Stimme, und unter dem Leichnam vergraben konnte sie sich nicht mehr bewegen.
Dieses Gesicht über ihr, sie sah in die Augen.
Nur in das Weiß der Augen, aufgerissen, starr.
Nichts geschah, es war still um sie herum, totenstill.
Doch bald darauf vernahm sie das Rauschen ihres Bluts in den Ohren, und es klang wie eine Melodie, es erinnerte sie an das Schlaflied, das sie als Kind so sehr gemocht hatte, und sie wünschte sich, sie könnte einschlafen und all das vergessen wie einen bösen Traum.
Aber es war kein Traum.
Sie wusste, von nun an würde sie auf immer so daliegen, hilflos, nackt, und alles in ihr wäre erloschen.
Erster Teil
Eins
Der Wecker ihres Mannes schrillte, und sie zuckte zusammen. Es war halb sieben. Nie hatte sie ein Problem damit gehabt, früh aufzustehen. Nur lagen die Tage, an denen sie pünktlich vor einer lärmenden Schulklasse erscheinen musste, unendlich weit zurück.
Während er im Bad verschwand, drehte sie sich auf die Seite, klopfte ihr Kissen zurecht und versuchte, wieder in ihren Traum zurückzufinden. Er hatte mit dem Ort ihrer Kindheit zu tun, dem Kirchturm und den Einfamilienhäusern, und da hatte dieses weiße Pferd gestanden, sie erinnerte sich an seine großen braunen Augen und die geblähten Nüstern. Im Traum hatte sie überlegt, ob sie das Reiten vielleicht verlernt haben könnte, sie wusste noch, dass sie sich vor Stürzen und Knochenbrüchen gefürchtet hatte, bis sie sich endlich ein Herz fasste, sein weiches Fell streichelte und im Begriff war, sich auf seinen Rücken zu schwingen und mit ihm davonzureiten.
In diesem Moment hatte sich der Weckalarm gemeldet.
Es war zwecklos, sie konnte nicht mehr einschlafen. Wieder einmal zerbrach sie sich den Kopf darüber, ob sie ihren Job als Lehrerin nicht doch zu voreilig aufgegeben hatte. Damals aber war ihr alles zu viel geworden, und sie hatte dringend eine Auszeit gebraucht.
Und daraus war ein Dauerzustand geworden, sie hatte einfach nicht mehr die Kraft aufgebracht, in den Beruf zurückzukehren. Ihr Mann wurde nicht müde zu betonen, dass sie doch allein von seinem Gehalt wunderbar leben konnten. Also bestand ihre Aufgabe darin, Einkaufslisten zu schreiben, die Möbel zu verrücken, Staub zu saugen und zweimal in der Woche einen Tanzkurs zu belegen.
Sie hörte, wie er in der Küche rumorte. Kaffeeduft stieg ihr in die Nase, der Geruch seiner Morgenzigarette.
Sie durfte diesen einen Gedanken nicht zulassen, und schon war er da: Wenn sie damals das Kind nicht verloren hätte, wäre nicht die Krise gekommen. Wäre die Krise nicht gewesen, hätte sie ihren Job nicht aufgegeben. Wäre das Kind am Leben, wüsste sie, wozu es sich lohnte aufzustehen.
Stopp, dachte sie, nicht wieder damit anfangen. Dem Gedankenkarussell Einhalt gebieten, sofort !
Mit einem Mal spürte sie, dass er am Bett stand. Auch mit geschlossenen Augen bemerkte sie sein Zögern. Er hatte die Wahl, sich zu ihr hinabzubeugen und sie zum Abschied auf die Wange zu küssen, auch auf die Gefahr hin, sie zu wecken, oder sich einfach leise aus der Wohnung zu stehlen.
Ein Kuss, dachte sie, tu es einfach.
Doch schließlich vernahm sie bloß das leise Klacken der Wohnungstür.
Nach einer Weile stand sie auf und ging ins Bad. Sie duschte heiß und ausgiebig, so heiß, wie es ihre Haut nur ertrug. Sie brauchte einfach dieses Brennen am ganzen Körper. Es gab ihr das Gefühl, noch am Leben zu sein.
In der Küche bereitete sie ihren gewohnten Obstsalat zu, und als sie eine Grapefruit schälte, fiel ihr Blick auf den Messerblock. Einer
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