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Die Tränen der Vila

Die Tränen der Vila

Titel: Die Tränen der Vila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jaedtke
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antwortete der Knecht.
    „Hast du kein geschlagenes Holz?“, wandte der Verwalter sich an meinen Vater. Und als dieser resigniert den Kopf schüttelte, deutete Thiedericus zum Schweinestall hinüber. „Nehmt den Stall auseinander.“
    „Nein!“, schrie ich entsetzt, schloss das Gatter in meinem Rücken und stellte mich mit ausgebreiteten Armen davor. „Unsere Christa ist da drin! Soll sie erfrieren, wenn der Winter kommt?“
    Thiedericus wandte sich mit einem Blick nach mir um, als hätte ich seinen laubgrünen Umhang mit Kot beworfen.
    „Bitte, Herr“, bat ich, „lasst mich in den Wald gehen und Holz für Euch schlagen! Ich komme so schnell wie möglich zurück.“
    Thiedericus musterte mich skeptisch.
    „Dann könnte ich auch gleich eines der Schweine mitbringen“, fügte ich hinzu.
    Dies schien dem Verwalter einzuleuchten, und er ließ sein gnädiges Einverständnis durch ein Nicken erkennen. Zögernd trat ich näher und wies auf das Beil, das einer der Knechte in den Händen hielt.
    „Könnte ich das Beil haben?“
    Der Mann gab es mir.
    „In spätestens einer Stunde bist du zurück!“, befahl Thiedericus. „Wenn nicht, zerlegen wir den Stall und nehmen eure Kuh anstelle des Schweins mit.“
    Ich neigte demütig den Kopf. Der Verlust eines Schweins würde uns schmerzen; der Verlust der Kuh jedoch hätte bedeutet, dass wir unsere Äcker nicht mehr pflügen konnten und im kommenden Jahr hungers sterben würden. Ich wechselte einen Blick mit meinem Vater, der mir dankbar zunickte und sich ins Haus zurückzog.
    Während Thiedericus und seine Männer sich dem Nachbarhaus zuwandten, schulterte ich das Beil und ging raschen Schrittes die Dorfstraße hinab, um an der Linde abzubiegen und den Wald aufzusuchen. Es würde nicht schwer sein, die Schweine zu finden, denn ihre Klauenspuren waren in der feuchten Erde leicht zu verfolgen. Schwieriger würde es sein, innerhalb einer Stunde genug Holz zu schlagen, um die geforderten fünf Klafter zusammenzubringen. Das kleine Beil war abgenutzt und taugte kaum dazu, einen Baum umzuhauen. Es blieb mir also nichts anderes übrig, als Bruchholz zu sammeln, Äste abzutrennen und mich vielleicht an einigen dünnen Pappeln zu versuchen.
    Würde Thiedericus seine Drohung wahrmachen, wenn ich nicht rechtzeitig zurückkam? Eigentlich konnte es unter keinen Umständen rechtens sein, eine Kuh anstelle eines Schweins zu beschlagnahmen, doch es gab niemanden, den wir ob einer solchen Ungerechtigkeit um Beistand anrufen konnten. Die Bewohner unseres Dorfes waren keine Freibauern, sondern Hörige, und Thiedericus selbst besaß die niedere Gerichtsgewalt. Gewiss gab es noch das gräfliche Gericht, doch das war im fernen Blankenburg, und da der Graf unsere abgelegene Besitzung nie aufgesucht hatte, erschien er mir ebenso fern und unerreichbar wie der Papst. Konnte es tatsächlich wahr sein, dass Thiedericus mich und meinen Vater aus einer missgünstigen Laune heraus zum Hungertod verurteilte?
    Heilige Jungfrau, Mutter unseres Erlösers, betete ich, während ich über ein brachliegendes Feld stapfte und den Wald erreichte. Lass nicht zu, dass dies geschieht.
    Ich bat die Muttergottes, all jenes Unglück zu bedenken, das mich und meinen Vater bereits heimgesucht hatte: das Hinscheiden meiner Mutter, den Tod meines Bruders, Elend, Krankheit und Not. Doch noch eine andere Stimme im Innern meines Geistes mischte sich dazu, und diese verwünschte den grausamen Verwalter. Er selbst sollte Weib und Kind verlieren, seine Tiere sollten an Seuchen zugrunde gehen, die Früchte in seinem Garten sollten verderben und er selbst vom Pilzbrand heimgesucht werden, dass es ihm die Eingeweide zerriss. Ich schalt mich angesichts solcher bösen Gedanken, die meine Gebete störten, vermochte die rachsüchtige Stimme jedoch nicht zum Schweigen zu bringen. Und als ich endlich einen Baum gefunden hatte, den umzulegen ich mir zutraute, hieb ich mit dem kleinen Beil wie besinnungslos auf den Stamm ein und stellte mir vor, es sei der Hals des Schurken.
    Wenn ihm doch nur der hässliche Kopf von den Schultern getrennt würde, dachte ich zornig.
    Und vielleicht vernahm der Teufel meine Bitte, denn zuweilen gibt er den Menschen durchaus, was sie verlangen, stets jedoch unter Hohngelächter und zu ihrem Schaden.
    Als nämlich die schlanke Pappel endlich umknickte, hielt ich inne, durch ein Geräusch aufgestört, und spähte zwischen den Bäumen hindurch in Richtung der Hügel jenseits des Waldes. Zuerst meinte ich,

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