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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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sich wieder. Mit einer aggressiven Geste legte er die Pfeife weg und hakte die Daumen in die Armlöcher seiner Weste. »Ich finde, wir haben das lange genug durchgehechelt. Ich frage mich, warum ich überhaupt mit dir diskutiere! Ich bin dir keine Rechenschaft für meine Entscheidungen schuldig. Wir alle haben unsere Pflichten im Leben, ich die meinen und du die deinen. Vor ihnen können wir nicht davonlaufen. Ich habe diese Kompagnie nicht aufgebaut, um sie nach meinem Tod irgendeinem dahergelaufenen Fremden zu hinterlassen, und ich habe keinen anderen Sohn als dich. Leider.«
    Mit einem Mal brach der seit Jahren in ihm schwelende Groll aus ihm heraus; er hätte den Jüngling angeschrien, wäre da nicht die Angst vor den ständig lauschenden Dienstboten gewesen. »Ja, ich weiß, was du denkst, und ich denke dasselbe. Aber da deine Mutter meine angetraute Gattin war und die seine nur eine … eine …« Er schluckte das Wort hinunter. Man wusste nie, wer von den verflixten Kammerkätzchen und Staubwedlern hinter der Tür die Ohren spitzte. »Du kannst mir glauben, ich wünschte oft, es wäre anders. Dann wüsste ich meine Firma in den Händen eines tüchtigen Mannes, und du könntest dich jeden Tag deines Lebens damit lächerlich machen, Blumen zu pflücken wie ein kleines Mädchen, ohne dass es mich störte.«
    Die Augen des jungen Menschen funkelten. Sie waren seltsam gefärbt: in der Grundfarbe braun, aber grün und golden gesprenkelt. Mit zischender Stimme gab er zurück: »Kaffee ist auch eine Blume. Wäre niemand auf die Idee gekommen, sie zu pflücken, gäbe es unsere Firma nicht und auch keine andere.«
    Der Alte grunzte erbost. Mit einem Ruck stand er auf. Wie immer, wenn der Gedanke an seine ungleichen Söhne ihn überkam, rötete sich sein Gesicht vor Wut und Frustration. »Nun, die Dinge sind, wie sie sind, und keiner von uns kann sie ändern. Hier« – dabei klopfte er mit der flachen Hand auf einen Stapel Papiere, die auf dem Beistelltischchen lagen – »habe ich Lobrechts Brief mit seiner schriftlichen Zusage, und heute noch wird der Kurier meinen Brief nach Hamburg befördern, ob es dir passt oder nicht. Du kannst gehen.« Mit einer Handbewegung, wie man sie einem Domestiken gegenüber macht, entließ er den Sohn.
    Simeon erhob keinen Widerspruch mehr. Wortlos stand er auf, machte seinem Vater eine knappe Verbeugung und schritt mit seinen immer ein wenig linkischen Bewegungen aus dem Raum. Die Hündin erhob sich und folgte ihm auf leisen Tatzen – aber nicht, bevor sie sich zu Bartimäus umgewandt und ihn aus ihren bernsteingelben Augen angefunkelt hatte, wobei sie feindselig die Nase kräuselte.
    Simeon zog sich in sein Zimmer zurück, um das unerfreuliche Gespräch noch einmal zu überdenken. Es war ein elegant eingerichtetes Herrenzimmer, in dem er wohnte, nur dass es vollgeräumt war mit langen Tischen, auf denen seine dickleibigen Herbarien-Bücher lagen, und Arbeitstischen mit all dem Handwerkszeug des Botanikers wie Skalpellen, Pinzetten, Spezialpapier, Kleber und den Behältern für die empfindlichen Präparate. In einem Winkel stand eine Buchdruckpresse. An der Wand gegenüber der Tür hing das einzige Schmuckstück des Raumes: eine fremdartige Maske mit einem porzellanglatten, grünen Gesicht, schmalen, lang geschlitzten Augen, einer geraden, spitzen Nase und zarten, halb geöffneten Lippen. Jeder Kenner des javanischen Wayang, des Puppenspiels, hätte darin den Charakter »Panji« erkannt, einen legendären Fürsten, dessen tragische Liebesgeschichte Thema zahlloser Gedichte, Theaterstücke und Puppenspiele war. Mevrouw Beatrix hatte ihrem Sohn die Maske geschenkt, weil sie fand, dass er so edel, so elegant, so romantisch war wie der mythische Prinz.
    Diesmal hatte der junge Mann jedoch keinen Blick für seine Schätze. Er fühlte sich hin- und hergerissen zwischen zwei gegensätzlichen Bündeln von Emotionen. Es ärgerte ihn, dass sein Vater einfach über ihn verfügte, ihn gewissermaßen an diese Reederstochter verkaufte – denn zweifellos hatte der dicke Geldsack des Deutschen dabei eine entscheidende Rolle gespielt. Sensibel wie er war und sehr unsicher, ob er auf andere Menschen liebenswert wirkte, fürchtete er sich davor, dass man ihn womöglich in die Arme einer Frau stieß, die ihn nicht haben wollte. Auf der anderen Seite war er erleichtert, dass es jetzt ernst wurde mit der Ehe. In den letzten zwei Jahren waren seine körperlichen Bedürfnisse zu einem ernsthaften

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