Die Tränen meines Vaters
es waren seine Uniform, sein Abzeichen, seine Autorität. Wir waren alle verhältnismäßig jung, wenn ich auf uns zurückblicke. Ich musste alt werden, um zu erkennen, dass die Welt für die Jungen da ist. Was sie gern essen, die Musik und die Kleidung, denen ihre Vorliebe gilt, alldem kommt die Welt entgegen, und dennoch sehen sie sich als Opfer der Alten, der Gesetzeshüter.
Der Officer entließ mich mit «Okay, Buddy». Vielleicht im Hinblick auf meine ekstatische Verfassung setzte er hinzu: «Immer mit der Ruhe.»
Die Dame und ich waren nicht jung genug, um von unserer Liebe zu lassen, wie Teenager es machen, die wissen, dass gleich um die Ecke eine andere Gelegenheit wartet. Wir kehrten unverhaftet zu unseren Familien in Connecticut zurück und fuhren fort mit unserem, wie mein Großvater gesagt hätte, Übeltun, bis wir ertappt wurden, mit den üblichenFolgen: die verletzte Ehefrau, der schäumende Ehemann, die verwirrten und verschreckten Kinder. Sie ließ sich scheiden, ich nicht. Wir blieben beide im Ort, nachdem ihr Mann in die Stadt gegangen war, um sich nach neuen Möglichkeiten umzusehen. Sie und ich begannen ein befangenes Leben danach von zehn Jahren oder so, trafen uns auf Partys, im Supermarkt, auf dem Spielplatz. Sie sah weiterhin blendend aus; der Kummer hatte sie ein wenig dünner werden lassen. Es war ein Jahrzehnt landesweiten Karnevals. Ich erinnere mich, dass sie auf einer Weihnachtsparty rote Hotpants und grüne Netzstrümpfe trug und an einem Stirnband ein pelziges Geweih und in Anspielung auf Rentier Rudolphs Nase sich einen roten Ball mitten ins herzförmige Gesicht gesteckt hatte.
Partys sind wie Theateraufführungen in den Schlafstädten von Connecticut, und meine Frau und ich taten nichts, um ihr ihre Vorstellungen zu erleichtern; die Frau zeigte ihr die kalte Schulter, und ich saß eisern starrend in einer Ecke, immer noch entflammt. Sie hatte sich eine neue Rolle zugelegt, die Rolle der gefallenen Frau, ständig lachend, sich lasziv gebend, mit jedem Mann flirtend, so wie sie es mit dem Cop in Passaic getan hatte. Ich machte mir ein gehässiges Vergnügen daraus, aus meiner Distanz zu beobachten, wie sie gleich einer Flipperkugel von einer erfolglosen Romanze zur nächsten prallte. Es machte mich rasend, wenn es den Anschein hatte, als könnte aus einer der Romanzen doch etwas werden. Ich ertrug es nicht, es mir vorzustellen – die Nacktheit, die ich gekannt, das leise Stöhnen erneuerter Überraschung, das ich gehört hatte. Sie brachte die Männer zu Partys mit, und ich musste ihnen die Hände schütteln, die mir feucht und aufgedunsenvorkamen, wie roher Tintenfisch, den man auf dem Fischmarkt berührt.
Unsere Affäre hatte mir beruflich geschadet. Ein Versicherungsvertreter ist wie ein Priester – er erinnert uns an den Tod und sollte besonders seriös und tugendhaft sein, als Gegenwert für die Investition, die er uns abverlangt. Als Versicherungsagent war ich tüchtig und ordentlich beim Ausfüllen der Formulare gewesen, aber weniger gut, wenn es darum ging, die Kunden zu einer Entscheidung zu bewegen, die eine Provision eingebracht hätte. Die Frau und ich zogen in einen Staat, Massachusetts, wo uns niemand kannte und ich mit meinen Händen arbeiten konnte. Wir hatten ungefähr fünfzehn Jahre dort gelebt, als aus Connecticut die Nachricht kam, dass meine einstige Freundin – ihr langes, sich schlingendes Haar, ihr breites strahlendes Lächeln, ihre eleganten ovalen Hände – sterben würde, an Eierstockkrebs. Als sie tot war, freute es mich, bis zu einem gewissen Grad. Ihr Tod entfernte eine verwirrende Gegenwart aus der Welt, ein Indiz für ihre unausgeschöpften Möglichkeiten. Da. Man sieht, warum ich für Introspektion, für tiefes Graben, nicht viel übrighabe. Kratz an der Oberfläche, und Hässliches quillt herauf.
Bevor wir füreinander verdorben waren, sah sie mich als Ahnungslosen und versuchte liebevoll, mich zu erziehen. Das Beispiel ihres Mannes vor Augen, erklärte sie mir, ich müsse lernen, mehr zu trinken – als ob Alkohol Medizin für Erwachsene sei. Sie sagte, die beste Art, eine Erkältung zu kurieren, sei, sie unter den Tisch zu trinken. Zu Anfang unseres Liebeslebens teilte sie mir einmal ein wenig befangen mit, dass meine Orgasmen ihr sagten, dass dies – Sex – wichtig für mich sei. «Aber ist es das nicht für jeden?», fragte ich.
Sie machte einen schiefen Mund, zuckte leicht mit den nackten Schultern und sagte. «Nein. Du würdest dich
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