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005 - Tagebuch des Grauens

005 - Tagebuch des Grauens

Titel: 005 - Tagebuch des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.H. Keller
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Michel muss sterben. Ich werde ihn töten. Es muss sein.
    Michel ist mein bester Freund. Das habe ich jedenfalls bisher geglaubt. Aber ich habe mich geirrt.
    Es begann am 4. Januar. An diesem Tag hat er sein Todesurteil unterschrieben. Er hat mich für einen Schwächling gehalten, doch er hat sich getäuscht. Ich werde kämpfen, denn ich will leben.
    Ja, ich werde leben. Aber er muss sterben.
    Ich werde ihn umbringen. Mit meinen eigenen Händen. Ich will ganz sicher sein, dass er tot ist.
    Es bleibt mir keine andere Wahl. Wenn ich ihn leben lasse, werde ich sterben oder wahnsinnig werden.
    Vielleicht bin ich es schon.
    Nein, das glaube ich nicht. Ich will leben, und wenn das Wahnsinn ist, wäre die ganze Welt verrückt.
    Aber Suzanne, meine Frau, wird nicht mehr zu retten sein. Es ist grauenhaft zu wissen, dass sie sterben wird, ohne etwas dagegen tun zu können. Nichts kann sie retten, nichts.
    Soll ich einen Arzt holen? Darüber habe ich schon nachgedacht. Ich weiß schon jetzt, was er sagen wird. Suzanne ist ja nicht krank. Nur ihr Geist scheint verwirrt. Was soll man da machen?
    Ja, ich werde Michel töten. Er ist an Suzannes Dahinsiechen schuld. Ich weiß, dass er schuld ist, er allein. Aber was soll ich ihm vorwerfen? Wenn ich ihm sage, was ich weiß, was ich gesehen habe, wird er mich auslachen. Oder er hält mich für einen Narren, für einen gemeingefährlichen Narren.
    Ich, ein Narr!
    Oder bin ich vielleicht wirklich einer? Nein, ausgeschlossen.
    Ich muss vorsichtig sein. Keinesfalls darf ich einen Fehler machen. Es muss mir gelingen, das Verhängnis abzuwenden.
    Das lässt sich ganz einfach erreichen: Zwei Hände schließen sich um einen Hals, um den Hals von Michel. Und dann drücken sie zu, so lange, bis das Herz aufgehört hat zu schlagen, so lange, bis er tot zu Boden sinkt.
    Das wird die Erlösung bringen.
    Ich habe genug davon, jede Nacht entsetzt aus dem Schlaf aufzufahren und Suzanne zu erblicken, das Gesicht in Schweiß gebadet, wie sie die Arme nach etwas ausstreckt, das ich nicht sehe.
    Zu Anfang ist es nicht oft passiert. Nur einmal in der Woche. Dann wurde es häufiger, und jetzt passiert es jede Nacht. Und sogar in einer Nacht mehrmals.
    Ich kann nicht mehr schlafen. Ich warte schon immer darauf, dass es losgeht.
    Zuerst scheint es, dass Suzanne schläft, dann wird ihr Atem schneller, und ich weiß schon, was kommt. Ich habe Angst davor.
    Sie zittert, und ihre Zähne schlagen wie im Fieber aufeinander. Ein grauenhaftes Geräusch in der stillen Nacht! Anfangs habe ich noch versucht, ihr gut zuzureden, sie zu beruhigen. Es war umsonst. Für sie bin ich nicht mehr vorhanden.
    Sie steht auf, den Körper angespannt, und läuft stöhnend durch das Zimmer. Sie hat Angst. Eine unerklärliche, tödliche Angst hat sie erfasst.
    Ich habe tiefes Mitleid mit ihr, aber ich kann ihr nicht helfen. Vielleicht sollte ich sie befreien, indem ich ihr ein Messer ins Herz stoße und ihr gleich darauf in den Tod folge.
    Nein, das bringe ich nicht fertig.
    Michel würde übrig bleiben. Das darf nicht sein. Ich muss ihn töten. Und er soll wissen, dass ich sein Mörder bin.
    Vergeblich habe ich versucht, Suzanne klarzumachen, dass sie nur träumt, dass sie einen Alptraum erlebt. Ich kann sie nicht mehr erreichen. Sie ist jeder logischen Erklärung unzugänglich.
    Wenn es über sie kommt, streckt sie die Arme aus, und ihre Augen sind weit aufgerissen. Manchmal strömen Tränen über ihre bleichen Wangen. Dann verzerren sich ihre Züge, und ich erkenne sie kaum wieder. Es scheint, als wehre sie sich gegen das Unsichtbare.
    Zu Anfang habe ich gedacht, dass es Vorbeigehen, dass sie ihre Ruhe wieder finden würde. Suzanne ist fünfundzwanzig Jahre alt, und bisher war sie immer sehr ausgeglichen.
    Nun weiß ich, dass jede Nacht das gleiche passieren wird. Suzanne wird schreien, und ich werde aus dem Schlaf hochfahren. Jetzt schreit sie nämlich voller Entsetzen, während sie zu Anfang nur stöhnte. Sie versucht, dem Unsichtbaren, das ihr Grauen einflößt, zu entfliehen.
    Was dieses Unsichtbare ist, weiß ich nicht.
    Doch etwas weiß ich: Michel ist an allem schuld. Er hat ihr den gefährlichen Wahn ins Hirn gepflanzt, und ich habe es nicht verhindern können.
    Suzanne ist verloren.
     

     
    Am 4. Januar fing es an. Dieses Datum ist wie mit einem Brandeisen in mein Herz gegraben.
    4. Januar. Alles steht so lebhaft vor mir, als sei es erst gestern geschehen …
    Es ist bitterkalt. Seit Tagen pfeift ein eisiger Nordwind. Am

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