Die Traumfängerin - Roberts, N: Traumfängerin
entspannt zu sein. Tatsächlich aber fühlte sie sich unsicher und beunruhigend verletzlich.
Jeden Tag baute sie einen neuen Schutzpanzer auf, um David nicht zu nahe an sich heranzulassen. Doch sosehr sie sich auch bemühte, sich gegen ihn und ihre eigenen Gefühle zu wappnen, gelang es ihm jede Nacht, diese schützende Hülle einfach einzureißen. Sie konnte es nicht wagen, ihre Gefühle offen zu zeigen. Schließlich hatte sie mit David, das sagte sie sich immer wieder, nur eine unbedeutende Affäre. Ihre Beziehung dauerte so lange, wie sie beide es wollten. Und für den Zeitpunkt, an dem er ihr den Laufpass geben würde, wollte sie vorbereitet sein.
Es war wie ein Glück auf Zeit. Ohne Zweifel würde er sich früher oder später von ihr trennen. Die Flamme ihrer Leidenschaft loderte so hoch, dass sie schnell aus ge branntsein würde. Und außer ihrem Begehren hatten sie nichts, was sie miteinander verband. David las dicke, gesellschaftlich wertvolle Romane und Sachbücher. A. J. liebte blutige Krimis und romantische Bestseller. Einmal hatte er sie zu einem Filmfestival mitgenommen, auf dem höchst anspruchsvolle und kritische Filme gezeigt wurden. Schon nach wenigen Minuten hatte sie sich danach gesehnt, auf dem Sofa zu liegen und sich einen alten Liebesfilm anzusehen.
Je länger sie sich kannten, umso mehr Unterschiede entdeckte A. J. zwischen ihnen. Leidenschaft war ihr einziges Bindeglied, und sie ahnte, dass dieses Gefühl schnell verblassen würde. Deshalb war es überlebenswichtig für sie, auf das Ende ihrer Liebelei vorbereitet zu sein.
Auch beruflich war es schwierig für sie, mit dem Produzenten David Brady klarzukommen. A. J. war froh, auf diesem Gebiet so erfahren zu sein, dass ihr niemand mehr etwas vormachen konnte. Nachdem sie sich von David hatte erklären lassen, wie er Clarissas Rolle weiter ausbauen wollte, hatte sie den weiteren Filmaufnahmen zugestimmt. Doch ihr Einverständnis hatte seinen Preis: A. J. verhandelte nicht über mehr Geld, sondern rang David das Versprechen ab, für Clarissas im Sommer erscheinendes Buch Werbung zu machen.
Zwei Tage lang hatten sie erbittert gekämpft, Vorschläge gemacht und wieder verworfen und sich schließlich auf diesen Kompromiss geeinigt. Clarissa durfte ihr neues Buch direkt in der Sendung vorstellen und würde noch eine Besprechung in einer wöchentlichen Sendung über die aktuellen Neuerscheinungen bekommen. Dafür durfte David ein Exklusivinterview mit Clarissa und Alice Van Camp drehen. Letztendlich hat ten bei de den Ver handlungstischmit dem befriedigenden Gefühl verlassen, besser abgeschnitten zu haben als der andere.
An Clarissa gingen diese Streitigkeiten spurlos vorüber. Sie arbeitete im Garten, probierte neue Rezepte aus und plante – sehr zu A. J.s stetig wachsendem Unbehagen – ihre bevorstehende Hochzeit. Als A. J. ihr begeistert erzählte, dass sie ihr Buch im Fernsehen vorstellen dürfe, überwand sich Clarissa kaum zu einem „Sehr schön, Schatz“, um gleich darauf laut zu überlegen, ob sie die Hochzeitstorte nicht am besten selbst backen sollte.
„Momma, ein Auftritt in dieser Sendung ist keineswegs nur ‚schön‘.“ Entnervt fuhr A. J. ihren Wagen in eine Parklücke vor dem Studio. Vierzig Minuten lang hatte sie mit ihrer Mutter im Auto zugebracht und war dabei das Gefühl nicht losgeworden, dass sie über vollkommen unterschiedliche Dinge gesprochen hatten.
„Oh, ich bin sicher, es wird wundervoll. Der Verleger hat mir zugesichert, ein Belegexemplar an die Moderatorin zu schicken. Aurora, hältst du eine Hochzeit im Garten für passend? Ich befürchte, meine Azaleen könnten leiden, wenn so viele Leute durch den Garten trampeln.“
Stirnrunzelnd stellte A. J. den Motor ab. „Wie viele Belegexemplare?“
„Das weiß ich nicht genau. Ich habe es mir bestimmt irgendwo aufgeschrieben. Was machen wir, wenn es regnet? Das Wetter ist im Juni so unbeständig.“
„Du musst sicherstellen, dass der Verlag mindestens drei Exemplare an den Sender schickt. Eins für die … Im Juni?“ Entgeistert starrte sie ihre Mutter an. „Das ist nächsten Monat.“
„Genau. Und es gibt noch unzählige Dinge, die ich erledigen muss.“
Scheinbar ruhig legte A. J. ihre Hände aufs Lenkrad. „Hattest du nicht was von einer Hochzeit im Herbst erzählt?“
„Ja, das stimmt. Im Oktober blühen die Chrysanthemen so wunderschön. Aber Alex ist …“ Sie errötete und räusperte sich verlegen. „… ein bisschen ungeduldig. Aurora,
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