Die Traumfängerin - Roberts, N: Traumfängerin
wurde? Sobald sie an ihrem wundesten Punkt getroffen wurde, fuhr sie die Krallen aus. „Du wusstest es“, wiederholte er. „Und das hat dich erschreckt. Warum?“
„Mir wurde klar, dass ich mich in einen Mann verlieben würde, den ich abscheulich fand. Reicht das?“
„Um verärgert zu sein, vielleicht auch wütend. Aber du hattest Angst. Ich habe deine Furcht gespürt, schon damals im Wagen und auch gestern Nacht.“
Mit aller Kraft versuchte sie, ihren Arm aus seinem Griff zu lösen. „Du übertreibst.“
„Ach ja?“ Er kam näher und legte eine Hand an ihre Wange. „Auch jetzt hast du Angst.“
„Das ist nicht wahr.“ Vorsichtig entzog sie ihm auch die zweite Hand. „Ich bin sau er, weil du mich so sehr bedrängst. Wir sind zwei erwachsene Menschen, die eine Nacht miteinander verbracht haben. Das gibt dir noch lange nicht das Recht, dich in mein Privatleben einzumischen.“
Damit traf sie ins Schwarze. Wie oft hatte er einer Frau erklärt, dass eine gemeinsame Nacht nichts bedeutete, zu nichts verpflichtete? Und jetzt wollte ausgerechnet er diese ungeschriebene Regel außer Kraft setzen. „Zugegeben, du hast recht. Aber ich habe gesehen, in welchem Gemütszustand du warst, nachdem du gestern Nachmittag das Zimmer in der Villa betreten hattest.“
„Das ist vorbei“, erwiderte sie hastig. „Es gibt keinen Grund, diese Geschichte wieder aufzuwärmen.“
Wenig überzeugt beschloss er, die Sache auf sich beruhen zu lassen. „Und ich habe dir heute Nacht sehr gut zugehört“, ergänzte er stattdessen. „Ich will nicht dafür verantwortlich sein, dass dir so etwas noch einmal passiert.“
„Du bist nicht verantwortlich – das bin allein ich.“ Ihre Stimme klang etwas ruhiger. Gefühle waren immer ein schlechter Ratgeber, das wusste sie seit Jahren. Deshalb bemühte sie sich, vernünftig mit David zu reden. „Du hast damit gar nichts zu tun. Es waren einfach unglückliche Umstände. Ich bin achtundzwanzig Jahre alt, David, und ich bin es gewohnt, mit solchen Situationen, solchen Bildern umzugehen – schon mein ganzes Leben lang.“
„Versuche, mich auch zu verstehen“, bat er lächelnd. „Ich bin sechsunddreißig und hatte bis vor ein paar Wochen noch keine Ahnung von diesen Dingen.“
„Natürlich verstehe ich dich.“ Sie spürte, dass die Anspannung ein wenig von ihr abfiel. „Und es ist ganz normal, darauf mit Misstrauen und Neugier zu reagieren. Es ist wie bei ei ner Zaubershow im Zirkus.“
„Leg mir nicht solche Worte in den Mund!“ Er war selbst erstaunt, wie wütend er auf das Gesagte reagierte. Und auch A. J. war so irritiert, dass sie nicht einmal protestierte, als er sie hart bei den Schultern packte. „Ich habe keinen Einfluss darauf, was andere Menschen denken. Aber du kannst das nicht verallgemeinern. Verdammt, ich habe eine wunderbare Nacht mit dir verbracht, und dabei weiß ich nicht einmal, wer du wirklich bist. Ich habe Angst davor, dich zu berühren, weil ich befürchte, damit etwas in dir auszulösen, und gleichzeitig kann ich meine Hände nicht von dir lassen. Heute Morgen bin ich aufgestanden, weil ich wusste, dass ich dich wieder verführen würde, wenn ich nur eine Minute länger neben dir gelegen hätte.“
Ohne nachzudenken, hob sie abwehrend die Hände. „Ich verstehe nicht, was du willst.“
„Ich auch nicht.“ Er gewann seine Fassung wieder und lockerte den Griff. „Vielleicht ist es genau das. Ich brauche Zeit, um mir klar zu werden, was ich will.“
Zeit. Abstand. Das war es, was auch sie eigentlich immer gewollt hatte. Kraftlos ließ sie die Hände sinken und nickte. „Das klingt vernünftig.“
„Aber um ehrlich zu sein, graut mir davor, von dir getrennt zu sein.“
Ein Schauer – Angst? Freude? – rann über ihren Rücken. „David, ich …“
„Noch nie habe ich eine Nacht erlebt wie diese.“
Seine Worte rührten sie. „Das musst du nicht sagen.“
„Das ist mir klar.“ Mit einem verlegenen Lächeln strich er über ihre Schultern, als wolle er sich für seinen harten Griff entschuldigen. „Es ist nicht leicht für mich, das zuzugeben, aber es ist ganz einfach wahr. Setz dich bitte.“ Er zog sie mit sich hi nun ter und hock te sich auf die Treppenstufe. „In der vergangenen Nacht hatte ich nicht viel Zeit, über uns nachzudenken. Dafür war ich viel zu … benommen.“ Als er den Arm um sie legte, spürte er, wie sich ihr Körper versteifte, doch sie wehrte sich nicht. „Deshalb habe ich heute Morgen versucht, mir
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