Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
hätte werden können. Doch beim zweiten Gange, als Braten und süße Speise aufgetragen wurden und schwere Weine, wie Burgunder, Pomard, Chambertin an Stelle der leichteren Sorten, als Léoville und Chateau-Lafitte traten, nahm das Geräusch der Stimmen zu und das laute Lachen mochte den dünnen Kristall erbeben. Renée, die den Mittelsitz an der Tafel einnahm, hatte zu ihrer Rechten den Baron Gouraud, zu ihrer Linken Herrn Toutin-Laroche, einen ehemaligen Kerzenfabrikanten, späteren Munizipalrath und nunmehrigen Direktor des Credit Viticole, Mitglied des Aufsichtsrathes der marokkanischen Hafengesellschaft, ein magerer, ansehnlicher Mann, den der ihm zwischen Frau von Espanet und Frau Haffner gegenübersitzende Saccard mit schmeichelnder Stimme bald »mein lieber Kollege«, bald »unser großer Administrator« ansprach. Sodann kamen die Männer der Politik: Herr Hupel de la Noue, ein Präfekt, der acht Monate des Jahres in Paris verbrachte; drei Abgeordnete, unter denen auch das breite elsässische Gesicht des Herrn Haffner glänzte; sowie Herr von Saffré, ein sehr liebenswürdiger junger Mann und Sekretär eines Ministers; Herr Michelin, Chef der Straßenbau-Verwaltung und noch andere hohe Beamte. Herr von Mareuil, der ewig die Deputirtenwürde anstrebte, dehnte und reckte sich dem Präfekten gegenüber, dem er einschmeichelnde Blicke zuwarf. Was Herrn von Espanet betraf, so begleitete er seine Frau niemals in Gesellschaft. Die zur Familie gehörenden Damen waren zwischen den bedeutenderen Persönlichkeiten untergebracht: nur Saccard hatte seine Schwester Sidonie etwas entfernter zwischen den beiden Unternehmern – Herrn Charrier zur Rechten, Herrn Mignon zur Linken – wie auf einen Vertrauensposten gepflanzt, wo es sich darum handelte, den Sieg zu erringen. Frau Michelin die Gattin des Bureau-Chefs, eine hübsche, üppige Brünette, befand sich neben Herrn von Saffré, mit dem sie sich lebhaft und mit leiser Stimme unterhielt. An den beiden Enden der Tafel befand sich die Jugend: Auditore vom Staatsrathe, die Söhne einflußreicher Väter, angehende Millionäre, Herr von Mussy, der Renée verzweifelte Blicke zuwarf und Maxime mit Luise von Mareuil zu seiner Rechten, die ihn ganz in Anspruch zu nehmen schien. Allmälig fingen sie sogar an laut zu lachen. Von dieser Stelle ging die Heiterkeit aus.
    Herr Hupel de la Noue fragte zuvorkommend:
    »Werden wir das Vergnügen haben, heut Abend Seine Exzellenz zu begrüßen?«
    »Ich glaube nicht,« erwiderte Saccard mit wichtiger Miene, die einen geheimen Aerger verbarg. »Mein Bruder ist ungemein in Anspruch genommen! ... Er schickte uns seinen Sekretär, Herrn von Saffré, damit er uns seine Entschuldigung überbringe.«
    Der junge Mann, der Frau Michelin ganz in Beschlag genommen hatte, hob den Kopf empor, als er seinen Namen nennen hörte und in der Meinung, man habe zu ihm gesprochen, warf er auf gut Glück hin:
    »Ja, ja; heute Abend um neun Uhr soll beim Justizminister eine Ministerkonferenz stattfinden.«
    Während dieser Zeit fuhr Herr Toutin-Laroche, der unterbrochen worden, mit größtem Ernst zu sprechen fort, als hätte er bei gespanntester Aufmerksamkeit im Munizipalrath eine Rede gehalten:
    »Die Ergebnisse sind vorzügliche. Diese Anleihe der Stadt wird stets eine der schönsten finanziellen Operationen unserer Zeit genannt werden. Ah! meine Herren ...«
    Hier wurde seine Stimme abermals durch lautes Gelächter übertönt, welches mit einem Male an einem Ende der Tafel erscholl. Inmitten dieses Heiterkeitsausbruches konnte man die Stimme Maxime's vernehmen, der eine begonnene Anekdote vollendete: »Warten Sie doch, ich bin noch nicht fertig. Ein armer Wegarbeiter hob die kühne Amazone auf. Man behauptet, sie habe ihn einer vortrefflichen Erziehung theilhaftig werden lassen, um ihn später zu heirathen. Sie will nicht, daß sich außer ihrem Gatten noch Jemand rühmen könne, ein gewisses schwarzes Mal oberhalb ihres Kniees gesehen zu haben.« – Von Neuem erscholl lautes Lachen; auch Luise lachte unbefangen, lauter noch als die Herren. Und inmitten dieser Heiterkeit schob sich wie taub der ernste Kopf eines Bedienten neben jedem Gaste hin, um ihm leisen Tones getrüffeltes Huhn anzubieten.
    Aristide Saccard war ungehalten über die geringe Aufmerksamkeit, welche man Herrn Toutin-Laroche zutheil werden ließ. Und um ihm zu beweisen, daß er ihm Gehör geschenkt, wiederholte er:
    »Die städtische Anleihe ...«
    Herr Toutin-Laroche aber war nicht der

Weitere Kostenlose Bücher